Welche Bilder würdest du für dein zukünftiges Ich in eine fotografische Zeitkapsel legen? Jede Fotografie ist mit einem konkreten Moment verbunden. Ein Foto kann man nur in der Gegenwart machen. Zeit verändert, wie wir eine Fotografie betrachten. Was im Moment des Festhaltens banal oder selbstverständlich erscheinen mag, lädt sich mit Abstand mit neuer Bedeutung auf. Fotografien sind Träger privater und intimer Erinnerungen, halten Zeitgeist und Konsumkultur fest, dokumentieren den Wandel von Stadtlandschaften und vieles mehr. In diesem Kurzprojekt Fotografie denken wir anhand des Begriffs der Zeitkapsel über Wahrnehmung und Perspektive in der Fotografie nach. Wir experimentieren im Fotostudio mit dem Thema Porträt und Stillleben, schauen auf Archivalien und arbeiten im Schwarz-Weiß-Labor mit kameralosen Fotografietechniken. Auch das Arbeiten im Stadtraum ist möglich. Das Ziel des Kurzprojekts ist das Erstellen einer fotografischen Zeitkapsel für das zukünftige Ich – als physisches Objekt. Welche Bilder wollen wir für uns selbst aufbewahren? Wie lässt sich eine bestimmte Haltung oder Stimmung und abstrakte Konzepte in Bildern darstellen?

01. Moodboard/ Inspiration/ Ideenfindung

Als Einstieg unseres Kurses haben wir uns ganz intuitiv mit dem Thema Fotografie auseinandergesetzt und viele unterschiedliche Begriffe gesammelt, Assoziationen geteilt, ohne Grenzen zwischen Technik und Gefühl. Begleitend dazu ließen wir uns von unserer Dozentin Daniela Friedel ausgewählten Büchern mit künstlerischen Projekten inspirieren, welche halfen, unsere Vorstellungen zu vertiefen und neue Perspektiven zu entdecken.

Diese Übungen gaben uns ein Gefühl dafür, wie weit das Feld reicht und wo unsere eigenen Interessen liegen könnten. Und so entstanden erste Ideen, in welche Richtung meine persönliche Zeitkapsel gehen sollte – was sie zeigen, was sie ausdrücken darf.

Für meine Zeitkapsel kristallisierten sich drei zentrale Themen heraus, die ich miteinander verweben wollte. Zunächst war da der Wunsch, die Menschen festzuhalten, die mich in dieser Zeit umgeben – die mir Nähe, Leichtigkeit und das Gefühl von Freiheit schenken. Ihre Gesichter sind für mich Momentaufnahmen von Freundschaft und Jetztsein. Gleichzeitig zog es mich zu den Räumen, in denen mein Alltag stattfindet – Orte, die oft still sind, aber voller persönlicher Geschichte. Räume verändern sich, werden neu gefüllt oder verschwinden, und vielleicht werde ich in Zukunft nie mehr an diesen Orten verweilen. Als drittes Element war es mir wichtig, meine aktuellen politischen Gedanken einzubringen – sie bildlich zu übersetzen und so einen Teil meines heutigen Weltblicks sichtbar zu machen. Denn auch das, woran ich glaube und wofür ich einstehe, gehört in diese persönliche Kapsel der Gegenwart.

Ein Moodboard half uns schließlich, Formen und Stimmungen greifbarer zu machen, fast wie ein Blick in das, was später sichtbar werden sollte.

02. Arbeit mit der Lochkamera und in der Dunkelkammer

Auch wenn die Arbeit mit der Lochkamera und in der Dunkelkammer nicht unmittelbar in mein Projekt eingeflossen ist, war sie ein wertvoller Teil des Kurses. Da ich zuvor keine Erfahrungen mit analogen Techniken hatte, war vieles neu für mich – genau das machte es interessant. Besonders eindrücklich war der entschleunigte Ablauf beim Fotografieren mit der Lochkamera und das direkte Entwickeln in der Dunkelkammer. Es war ein ganz anderer Zugang zur Fotografie als der digitale – langsamer, aber bewusster.

Auch wenn ich diese Techniken nicht für mein Hauptprojekt genutzt habe, haben sie meinen Blick auf Bildgestaltung und Prozesse erweitert – und das Gruppenbild zum Abschluss bleibt ein greifbares Erinnerungsstück an diese Erfahrung.

03. Prozess

Nach einiger Überlegung, wie ich meine drei Themen miteinander verweben könnte, entschied ich mich dazu, all das in einem kleinen, persönlichen Magazin zu erzählen. Ich begann mit den Räumen – den leeren, stillen Orten, die mich täglich umgeben – und ließ danach meine Freund*innen darin sichtbar werden: die Menschen, mit denen ich diese Zeit teile, die mir Freude und Echtheit schenken.

Meine politischen Gedanken habe ich nicht direkt ausgesprochen, sondern in Kleidung verpackt. Fast wie ein Zufall – und doch genau zur richtigen Zeit – hatte ich gerade meine selbstgenähte Kufiya-Hose fertiggestellt. Ich konnte es kaum erwarten, sie im Fotostudio zu inszenieren. Für diese Aufnahmen arbeitete ich ausschließlich im Studio, mit einer sogenannten Pinhole-Belichtung. Die Ausdruckskraft dieser Bilder – ebenso wie die der Porträts und Räume – hat mich selbst überrascht.

Die meisten Fotos mit meinen Freund*innen waren nicht inszeniert. Sie sind ganz von allein entstanden – aus Momenten heraus, die wie geschaffen schienen, um festgehalten zu werden. Diese ungeplante Echtheit einzufangen, war für mich der schönste Teil des Prozesses. Mit Blitz zu arbeiten half mir, Spannung zu erzeugen und Details einzufangen, die sonst vielleicht untergegangen wären.

Natürlich gab es auch Herausforderungen. Die größte war die Zeit – zwei Wochen für ein ganzes Magazin zu fotografieren, gestalten, drucken und binden fühlten sich wie ein Wettlauf an. Dazu kam, dass es mir gesundheitlich in dieser Phase oft nicht gut ging. Aber ich habe jede Minute genutzt, in der ich Kraft hatte – und war am Ende selbst erstaunt, wie viel ich schaffen konnte.

Das Cover-Shooting war besonders intensiv: So viele Menschen auf ein einziges Bild zu bekommen, sie alle im selben Moment nach oben blicken zu lassen, hat viel Energie und Geduld gefordert.

Am meisten Respekt hatte ich allerdings vor der Buchbindung. Die Fadenheftung wirkte anfangs wie ein Rätsel – ich hatte Angst, etwas kaputt zu machen. Doch je mehr ich verstand, desto mehr Freude machte es. Und rückblickend kann ich sagen: Jeder Schritt, jede Unsicherheit, jedes Detail in diesem Prozess war es wert – weil es mein Projekt ganz zu meinem gemacht hat.

04. Meine Zeitkapsel

05. Ausstellung

Für die Ausstellung entschied sich meine Dozentin dazu, mein Magazin gemeinsam mit einigen ausgewählten A3-Fotografien an der Wand zu präsentieren – teilweise direkt auf Glasflächen montiert, um den wilden, unberechenbaren Charakter meiner Arbeit zu betonen.

Das Magazin selbst liegt auf einem schwarzen Podest – als stiller Mittelpunkt, der zum Innehalten einlädt. Wer möchte, kann sich in Ruhe durch die Seiten blättern, schauen, verweilen und vielleicht ein Stück meiner Zeitkapsel mitnehmen.

Die Ausstellung war ein purer Erfolg und alle waren so begeistert von unseren Ideen und Umsetzungen.

06. Outtakes

Bei meiner Auswahl ist mir aufgefallen, dass die Bilder ohne Blitz im Magazin ein wenig untergehen würden, weshalb ich mich gegen sie entschieden habe. Jedoch sind sie es trotzdem wert hier gesehen zu werden. Hach- ich wünschte ich hätte sie alle nehmen können...

07. Fazit

Dieses Projekt war für mich mehr als nur eine fotografische Übung – es war eine persönliche Reise durch meine Gegenwart. Jede Entscheidung, jedes Bild, jede Bindung der Seiten war Teil einer intensiven Auseinandersetzung mit dem, was mich umgibt, bewegt und definiert.

Ich habe gelernt, wie stark Fotografie Emotionen transportieren kann – nicht nur durch Inszenierung, sondern gerade durch echte, ungeplante Momente. Ich habe gespürt, wie politisch Kleidung sein kann. Und ich habe gesehen, wie sehr Räume sprechen, wenn man ihnen zuhört.

Trotz aller Herausforderungen – Zeitdruck, Krankheit, Unsicherheit – habe ich etwas geschaffen, das ehrlich und ganz mein eigenes ist. Diese Zeitkapsel hält nicht nur Erinnerungen fest, sie erinnert mich auch daran, wie viel Kraft im Festhalten selbst steckt. 

Ich freue mich schon sehr darauf meine Zeitkapsel in in 25 Jahren, genau an dem Tag wo unsere Ausstellung war, wieder zu öffnen und um zurück in diese einzigartige Zeit versetzt zu werden.