1. Einleitung

In den zwei Wochen haben wir uns intensiv mit dem Thema „Zeit“ auseinandergesetzt: Wie hätten wir uns unser Leben vor 100 Jahren vorgestellt? Wie leben wir heute – und was wird unser Leben in 100 Jahren prägen? Was (oder wer) bedeutet uns am meisten? Wodurch lassen wir uns beeinflussen, und was macht uns als Menschen eigentlich aus?

Diese Fragen diskutierten wir nicht nur, sondern nutzten sie als Ausgangspunkt für unsere Arbeit. Es ging uns weniger darum, definitive Antworten zu finden, sondern vielmehr Denkanstöße zu geben und eine kritische Reflexion anzuregen.

100 Jahre zuvor

Wie stellst du dir dein Leben 100 Jahre in der Vergangenheit vor?

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Heute

Wie würdest du dein Leben heute beschreiben?

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Exkursion 01

Am 04.04. waren wir zusammen als Kurs im Bauhaus Museum um uns einen Eindruck zur Zeit vor 100 Jahren machen zu können.

Exkursion 02

Am 07.04. sind wir zusammen in das Stadtarchiv Dessau gegangen und haben viel über das Thema Datensammlung, Erhaltung und Archivierung erfahren.

100 Jahre in der Zukunft

Nach den gesammelten Eindrücken aus dem Bauhausmuseum und dem Stadtarchiv, nach intensiven Diskussionen und tiefgründigen Gesprächen, stand für uns die entscheidende Frage im Mittelpunkt: Was für ein Objekt sollten wir in die Zeitkapsel legen?

Dabei beschäftigten uns zwei zentrale Aspekte:

1. Was ist uns persönlich wichtig und könnte uns als Individuen repräsentieren?

2. Wie könnte unser Objekt in 100 Jahren von Menschen, Gesellschaft oder Kultur wahrgenommen werden? Würden sie seine Bedeutung verstehen, seine Funktion entschlüsseln und nachvollziehen können, warum wir es ausgewählt hatten?

In einer kreativen Gruppendiskussion entwickelten wir schließlich verschiedene Ideen für mögliche Zeitkapsel-Objekte (siehe Abbildung).

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Objekt

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Ich spiele seit meiner Kindheit Klavier. Nach vielen Jahren Unterricht – den ich mal mehr, mal weniger genossen habe – bin ich heute unendlich dankbar, dieses Instrument zu beherrschen. Schon früh war mir daher klar, dass meine Zukunft irgendwie mit meiner Leidenschaft für Musik verbunden sein muss.

Zugegebenermaßen habe ich trotz meiner Herkunft aus Köthen und der damit verbundenen Nähe zu Johann Sebastian Bach nie eine besondere Vorliebe für klassische Musik entwickelt. Doch Chopins „Nocturne in Es-Dur“ gehört zu den wenigen klassischen Stücken, die mir wirklich ans Herz gewachsen sind.

Skizzen

Mit meiner Arbeit stelle ich den Menschen in 100 Jahren eine grundlegende Frage: Wie – und ob überhaupt – wird Musik dann noch gelesen, betrachtet und verstanden?

Wird es noch Notenblätter geben? Oder ist alles nur noch digital? Spielen Menschen dann noch analoge Instrumente?

Ich wollte keine Antworten vorgeben, sondern diese Fragen bewusst relevant machen – als Anstoß für eine kritische Reflexion über Musik, Technologie und Kultur.

Umsetzung: Musik als visuelle Erfahrung

Dafür habe ich die ersten vier Takte von Chopins Nocturne in Es-Dur (die prägende Melodie) in vier einzigartige Infografiken übersetzt. Jede Darstellung visualisiert die Musik auf eine andere Weise – als Experiment, wie Noten in Zukunft interpretiert werden könnten.

Prozess

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Umsetzung

Die Umsetzung entstand in Bleistiftzeichnung auf speziell ausgewähltem Archivpapier (100 g/m², Format 6„×9“ / 15,24 × 22,86 cm). Die Materialwahl folgt konservatorischen Standards:

- säurefreies Papier

- lichtbeständiger Graphit

- standardisiertes Archivformat

Diese bewusste Entscheidung erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass die Arbeit die kommenden 100 Jahre unbeschadet überdauert und ihre visuelle Aussagekraft behält.

fertige Infografiken

Konzeptuelle Gestaltung:

Ich verzichtete bewusst auf Nummerierungen oder Anleitungen für die Taktreihenfolge. Diese Entscheidung soll die zukünftigen Betrachter*innen dazu anregen, sich aktiv mit den Notenblättern auseinanderzusetzen und selbstständig Zusammenhänge zu entdecken.

Warum gerade dieses Stück?

Das Nocturne in Es-Dur gehört zwar zu meinen Lieblingswerken, doch ich habe es nie vollendet - sowohl im Spielen als auch im Lernen. Diese unvollendete Beziehung zum Stück übergebe ich nun an die Zukunft: Ich lade die Person, die diese Blätter eines Tages findet, ein, das zu vollenden, was mir nicht gelang.

Video

Neben dem Hauptobjekt, das am 11.07.2025 in die Zeitkapsel kommt, produzierten wir ein Zusatzvideo. Dieses zeigt eine künstlerische Interpretation, wie die Öffnung der Kapsel im Jahr 2125 aussehen könnte - und wie die Menschen unserer Zukunft die darin enthaltenen Objekte wahrnehmen und deuten mögen.

Die Umsetzung erfolgte in mehreren Schritten:

Konzeption: Wir entwickelten detaillierte Storyboards

Dreh: Ein straff organisiertes, intensives Shooting im Fotostudio

Postproduktion: Nachtschichten für Schnitt und Zusammenführung aller Einzelvideos

Als Mitglied des Videoteams erlebte ich den gesamten Prozess hautnah - von den kreativen Diskussionen während der Storyboard-Phase bis zum finalen Feinschliff in den frühen Morgenstunden.

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Storyboard

Videoproduktion

Videoprototyp

Fazit

Mir hat das Kurzprojekt sehr gut gefallen. Ich konnte meine Leidenschaft für Musik in ein Projekt umsetzen, was anfangs noch etwas verwirrend schien. Die Arbeit und der Stress haben sich am Ende gelohnt und der Gedanke, den Menschen in der Zukunft ein wenig Persönlichkeit von mir mitzugeben ist etwas ganz besonderes.