
Was sind BFRBs???
Körperbezogene repetitive Verhaltensweisen (BFRBs), wie Hautzupfen, Haareausreißen oder Nägelkauen, sind weit verbreitet – bleiben aber oft unsichtbar. Viele Betroffene leben jahrelang damit, ohne zu wissen, dass ihr Verhalten einen Namen hat oder behandelbar ist.
Wichtig zu erwähnen ist, dass sich diese Verhaltensweisen in ihrer Intensität auf einem Spektrum bewegen – von unbemerkt und nicht störend bis hin zu stark belastend und im Alltag einschränkend.
In der ICD-11 und im DSM-5 werden BFRBs als eigenständige psychische Störungen innerhalb der Zwangsspektrumsstörungen geführt – ein wichtiger Schritt zur Anerkennung. Dennoch werden sie in der Praxis häufig übersehen oder verharmlost.
Häufige Gründe sind Scham, Unsicherheit und fehlende Aufklärung. Viele Betroffene fühlen sich nicht ernst genommen – selbst im medizinischen Kontext –, obwohl BFRBs stark belastend sein können.
Recherche
In meiner Recherche wollte ich den Möglichkeiten der eigenen Intervention und Selbsthilfe, der Sichtbarkeit von Betroffenen – sowohl untereinander als auch von außen – und den persönlichen Erfahrungen Betroffener auf den Grund gehen.






Neben der Research zu allgemeinen Informationen, Kategorisierungen sowie bekannten und erprobten Methoden, Techniken und Therapien habe ich die aufschlussreichsten Erkenntnisse durch meine eigene Umfrage gewonnen.
Die Online-Umfrage erreichte bis zum Tag der Auswertung über 150 Menschen aus Deutschland, den USA, den Niederlanden und Frankreich. In den Freitextfeldern berichteten die Teilnehmenden von ihren Erfahrungen mit verschiedenen Methoden und teilten ihre persönlichen Geschichten.
Aus den Ergebnissen der Umfrage wurde für mich deutlich, dass mögliche Lösungswege und Selbsthilfemethoden stark individuell sind – unabhängig von der konkreten Ausprägung des Verhaltens oder bisherigen Methodenerfahrungen. Es ist vielmehr eine Frage des persönlichen Typs.
Um diese Vermutung gezielter zu untersuchen, habe ich mit fünf freiwilligen Proband*innen eine dreiwöchige Testphase mit unterschiedlichen Methoden durchgeführt.
Die Ergebnisse waren trotzdem sehr überraschend und bestätigten meinen Eindruck. Die Wirksamkeit der Methoden und ihrer gestalterischen Parameter zeigte bei fünf Personen eine ebenso große – teils sogar gegensätzliche – Varianz wie bei den 150 Teilnehmenden der Umfrage.
Konzept
Daher war für mich klar: es gibt keine Universallösung. Stattdessen schien es vielmehr darum zu gehen, welche Methode für welche Person zu welchem Zeitpunkt im Leben überhaupt praktikabel und emotional zugänglich ist.
Es fehlt an Orientierungshilfen, die sowohl niedrigschwellig als auch sensibel auf unterschiedliche Betroffenheitsgrade eingehen.
Gestaltungsprozess
















Die Box
Warum in einer Box?
Die Box bietet durch ihre analoge, greifbare Form einen bewussten Kontrast zur digitalen Reizüberflutung, die Betroffene (mich eingeschlossen) als überfordernd oder triggernd empfinden können. Sie schafft einen physischen Raum, in dem Reflexion, Ausprobieren und Orientierung stattfinden kann, ohne Ablenkung.
Zudem erlaubt das Box-Format eine klare thematische Staffelung in Stufen (Wissen – Verbindung – Werkzeuge) und somit eine visuelle und inhaltliche Navigation durch das Thema. Die Haptik und Modularität fördern einen spielerischen, selbst bestimmten Umgang mit den Materialien und ermöglichen sowohl Einzelarbeit als auch gemeinsame Nutzung mit nahestehenden Personen oder therapeutischer Begleitung.
















Onboarding-Flyer
Der Flyer erzählt Lous Geschichte – von unauffälligem bis stark belastendem BFRB-Verhalten. So entsteht ein nachvollziehbares Spektrum, das Identifikation ermöglicht. Die Nutzer*in wird direkt angesprochen, zum Reflektieren eingeladen und behutsam an den Zweck der bfrb:box herangeführt. Ein Verweis leitet zum nächsten Material über: das Infoheft.






Flowchart-Plakat
Die Idee für das Flowchart entstand inspiriert von klassischen „Welcher Typ bist du?“-Tests aus Jugendzeitschriften. Durch einfache Ja-/Nein-Fragen lässt sich spielerisch ein Profil ableiten und so gezielt passendes Material empfehlen, ohne die Person direkt zu kennen.






Methoden-Flyer
Dieser Flyer enthält Infomaterial über die gängigen 3 Methoden (Entkopplung, Habit Reversal Training und Habit Replacement ) und die Auflösung der Typzuordnung des Plakates mit passenden App Empfehlungen und analogen Methoden.






Infoheft
Als kleines Lexikon über alle wichtigen Informationen, fasst dieses Infoheft klar, sachlich und Nutzer*innenfreundlich alle Eckdaten zusammen und bietet eine Wissensgrundlage für alle weiteren Schritte.








Memoryspiel
Als weiters Gamification-Projekt habe ich dieses Sprüche-Memory entwickelt.
Es dient als niedrigschwelliger Einstieg in ein sensibles Thema. Es verbindet spielerisch stereotype Aussagen mit empathischen Alternativen und lädt zur Reflexion ein – über Sprache, Wirkung und Vorurteile.
Als Eisbrecher fördert es Gespräche zwischen Betroffenen und Angehörigen oder auch mit sich selbst. Es stärkt die Selbstwahrnehmung und zeigt: Sprache kann verletzen – aber auch Verständnis schaffen.










Tagebuch
Das Tagebuch bildet den Abschluss der letzten Box-Stufe und unterstützt Selbstbeobachtung, Reflexion und sanfte Veränderung. Es ist flexibel nutzbar und auf drei Monate angelegt. Ein motivierender Zeitraum, um Muster zu erkennen und neue Wege auszuprobieren. Neben Stimmung und Alltag bietet es Raum für Zielsetzungen und Bedürfniswahrnehmung. Stickerbögen helfen dabei, Gefühle visuell auszudrücken. Ratschlag- und Methodenseiten laden zum Ausprobieren ein.










Fidget Toys
Da der Markt für Fidget Toys überladen und unübersichtlich ist, wurde bewusst eine reduzierte Auswahl getroffen. Die beiliegenden Tools sind ein flexibles Tangle-Toy und ein kompakter Fidget Cube. Beide bieten unterschiedliche haptische Reize, um die Hände sinnvoll zu beschäftigen und impulsives Verhalten umzulenken. So wird Überforderung vermieden und gezielte Unterstützung ermöglicht.

Instagram @bfrb.box
Ein begleitender Instagram-Account erweitert die bfrb:box um einen digitalen Raum für Austausch, Sichtbarkeit und Gemeinschaft. Er ermöglicht es Betroffenen, Erfahrungen zu teilen, sich verbunden zu fühlen oder einfach mitzulesen. Die Inhalte der Box und die entwickelten Gestaltungselemente bieten dafür eine fundierte Basis – der weitere Ausbau folgt als nächster Schritt.
Folgt gerne rein um zu sehen wie es weiter geht und werdet Teil der Community!






Fazit
Was als persönliche Auseinandersetzung mit meinem eigenen Verhalten begann, hat sich im Laufe dieses Projekts schnell zu einem strukturierten, greifbaren Angebot für andere entwickelt. Die bfrb:box ist das Ergebnis meiner intensiver Recherche, offener Gespräche, methodischer Erprobung und vieler Perspektiven.
Meine wichtigsten Erkenntnisse habe ich aus dem Kontakt und den Gesprächen mit verschiedenen Personen gezogen. Wenn ich das Thema meiner Bachelorarbeit erläutern sollte, bekam ich ganz oft ein: „Ah, ja, so ein Verhalten habe/hatte ich auch“ als Bemerkung. Diese sofortigen Outings haben mich oft überrascht. Das zeigte mir immer wieder die Relevanz meines Themas und auch für mich selbst:
Ich bin nicht allein. Und die anderen sind es auch nicht.
Mein Ziel war es, einen Anfang zu erleichtern. Einen Raum zu schaffen, der weder überfordert noch belehrt, sondern begleitet. Ein Impuls, sich selbst besser zu verstehen und vielleicht das erste Stück Sicherheit und Rückhalt.
In Zukunft möchte ich natürlich testen ob ich dieses Ziel auch tatsächlich erreicht habe. Als Leihgabe mit Proband*innen, Selbsthilfegruppen, über Vereine etc.