Incom ist die Kommunikations-Plattform der Hochschule Anhalt Fachbereich Design

In seiner Funktionalität auf die Lehre in gestalterischen Studiengängen zugeschnitten... Schnittstelle für die moderne Lehre

Incom ist die Kommunikations-Plattform der Hochschule Anhalt Fachbereich Design mehr erfahren

Social Wedia - Verbesserung der Gesprächskultur in sozialen Medien

Social Wedia - Verbesserung der Gesprächskultur in sozialen Medien

Modernes Zusammenleben ist geprägt von schnellem, ortsunabhängigem Austausch zwischen verschiedensten Menschen mit unterschiedlichster Sozialisierung und Weltanschauung. Prallen diese Aufeinander, kommt es in Kommentarspalten sozialer Netzwerke nicht selten zu Verhärtungen, Konflikten oder anderweitig unsachlicher Kommunikation. Diese Arbeit erforscht die möglichen Ursachen und stellt schlussfolgernd geringe Maße an Empathie und gegenseitigem Erkenntnisinteresse bei vielen Nutzer:innen fest. Mittels des Design Thinking Prozesses wird eine interaktive Erweiterung des Facebook Kommentar-UI zum Zweck der Argumentation mit Gewaltfreier Kommunikation entwickelt, getestet und iteriert. Verhaltensökonomische Methoden kommen hierbei zum Einsatz. Die Ergebnisse zeigen vielversprechende Tendenzen, die auf die Bereitschaft von Nutzer:innen zur Anwendung empathischer Gesprächstechniken schließen lässt.

1. EINLEITUNG

Ziel dieser zu Beginn ergebnisoffenen Arbeit ist das Erforschen von Einflüssen sozialer Medien auf zwischenmenschliche Kommunikation. Möglichkeiten der Kultivierung menschenfreundlichen und konstruktiven Austauschs werden theoretisch ergründet und praktisch getestet. Dabei gilt es gilt im Sinne des Positive Computing mittels des Designs von Technologie menschliches Potenzial zu fördern. Konkret stellen sich folgende Fragen:

—In welchen Aspekten unterscheidet sich die computervermittelte Kommunikation von der face-to-face Kommunikation?

—Wie kann Interaction Design die Gesprächskultur in textbasierten sozialen Medien zwischenmenschlicher gestalten?

—Wie kann eine solche Design Intervention aussehen und funktionieren?

Dabei werden soziale Medien in erster Linie als der neue öffentliche Raum des demokratischen Austauschs betrachtet, in dem Kommunikation zu großen Teilen unter dem Motiv eines verständnisvollen und erkenntnisorientierten Diskurses stattfinden sollte.

2. DAS PROJEKT

2.1 RELATED WORKS

Viele Hilfsorganisationen beschäftigen sich bereits mit der Stärkung der digitalen Zivilgesellschaft. Die Meisten funktionieren als Mittel zur…

—Aufklärung
Aufstehen gegen Hass im Netz | Demokratie Labore | LOVE-Storm )

—Gegenrede
( NO HATE SPEECH | Design Democracy | Love Speech! )

—Hilfestellung
(HateAid | Liebe wen du willst | Hassmelden )

—Community-Organization
( Courage!Office | #anstanddigital | Reconquista Internet )

Innerhalb des Facebook-UI's lassen sich bisher die folgendenden Strategieen zur Zivilisierung des öffentlichen Gesprächsklimas finden:

1. Melden
(seitens User:innen)

2. Moderation
(seitens Seitenbetreiber:innen)

3. Fact-Checking
(Warnhinweise und Bereitstellung von Fakten zu gewissen Themen)

4. Deep-Text AI
(KI zur Erkennung und Filterung gegen CommunityStandarts / NetzDG verstoßender Beiträge)

5. Multiple Kommunikationskanäle
(Emojis, GIFs, Sticker, Livestream, soon: Audiokanäle)

Woran es jedoch fehlt ist eine niedrigschwellige Implementierung von beratenden Maßnhamen für empathische Kommunikation in die UX von Facebook.

2.2 Gewaltfreie Kommunikation (GFK)

Hierzu wird die Kommunikationstechnik Gewaltfreie Kommunikation nach Dr. Marshall B. Rosenberg herangezogen. Diese empfiehlt die Formulierung persönlicher Argumente (als auch das Verstehen des Gegenübers) anhand von: 

1. Beobachtungen

Objektive Beobachtungen werden so konkret wie möglich angestellt. Dabei wird frei von jeglicher Interpretation die Handlung angesprochen, welche das persönliche Wohlbefinden beeinflusst.

2. Gefühle

Das Gefühl, welches aus der Beobachtung entstanden ist, wird identifiziert und benannt. Hierbei ist es wichtig, Gefühle nicht mit Meinungen zu verwechseln.

3. Bedürfnisse

Diese Phase erfordert die größte Reflektionsleistung. Bedürfnisse, die den  zuvor benannten Gefühlen zugrundeliegen, werden identifiziert und dem Gegenüber geschildert.

4. Bitten

Im Anschluss wird der Wunsch nach einer konkreten Handlung formuliert, die das persönliche Wohlbefinden bereichern würde.

_

Absetis einiger bestätigenden Erfahrungsberichte und Studien ist die Methode in der Wissenschaft bislang wenig erforscht. Hohe Zeitinvestition, die Zwanghaftigkeit der Formulierung, sowie das hohe Potenzial zum falschen Gebrauch gelten als häufige Kritikpunkte.

2.3 METHODEN

Eine Bestandsaufnahme des aktuellen gesellschaftlichen Zusammenlebens wird mittels Literatur und netnografischer Recherche aufgestellt.

Anhand von Modellen wie der media richness theory und der media synchronity theory aus der Kommunikationsforschung wird das aktuelle Kommentarinterface von Facebook (Stand Januar 2022) hinsichtlich seiner Schwachstellen untersucht.

Für den Gestaltungsprozess werden verhaltensökonomische Methoden konsultiert. Nudging (Thaler & Sunsetein) sowie das Hook-Model (Nir Eyal) geben relevante Anstöße für die Gestaltung.

Gesprächstechniken, vor allem die Gewaltfreie Kommunikation (Rosenberg), dienen als inhaltliche Anhaltspunkte.

Der gesamte Prozess orientiert sich an der Methode des Design Thinkings und mündet in der Gestaltung, Testung und Iteration eines aus der Forschung resultierenden Prototypen.

Dabei kommt ein User-Testing zum Einsatz um Akzeptanz und Usability der entworfenen Intervention zu überprüfen. Es durchlaufen jeweils 14 Teilnehmende zwei Iterationen des Prototyps. Hier wird der Teilnehmende aufgefordert, in zwei Kommentarspalten-Szenarien mit Konfliktpotenzial auf einen Kommentar zu antworten, mit dem er nicht einer Meinung ist. Die Szenarien werden zweimal durchlaufen. Das erste Mal ohne Intervention (Vergleichsrunde) und das zweite Mal unter Implementation des Social WEdia-Prototypen. Anschließend folgt eine Befragung. (Ergebnisse und Auswertungen unter '4. ANHANG')

2.4 PROTOTYP

Auf Basis der Testing-Ergebnisse kommt das Projekt zur folgenden Ausformulierung:

Erklärung

Einleitende Screens erläutern Nutzer:innen Prinzip und Funktionsweise der Gewaltfreien Kommunikation. Die vier Phasen werden piktografisch dargestellt.

Mockup-Einleitung-2b.pngMockup-Einleitung-2b.png
Mockup-Einleitung-1-v3b.pngMockup-Einleitung-1-v3b.png

Kommentar Add-On

Im Facebook Kommentarinterface zwischen Eingabezeile und Tastatur sind die vier Icons als Reminder abgebildet. Diese lassen sich mit einem Klick öffnen, woraufhin der Sinn der jeweiligen Phase in einem Dialogfenster erklärt wird. Zunächst sind die Icons inaktiv. Eine intelligente Texterkennung soll die Einhaltung der vier Mitteilungsebenen überprüfen, sodass die Icons bei entsprechender Formulierung in den aktiven Zustand versetzt werden und die Erfüllung der jeweiligen Phasen anzeigen.

Mockup-Einleitung-3b.pngMockup-Einleitung-3b.png

Reward-System

Mit dem Absenden eines nach der GFK formulierten Kommentars erhält die Nutzer:in einen Reward in Form einer Münze. Durch das sammeln dieser Erfolge kann in einem Rangsystem aufgestiegen werden. Mit jedem neuen Level werden Goodies freigeschaltet (bspw. Profilbild-Filter, Story-Filter, Wallpaper)

Mockup-Einleitung-6b.pngMockup-Einleitung-6b.png

3. FAZIT

In dieser Arbeit wurde die elementare Rolle sozialer Netzwerke für eine demokratische Gesellschaft untersucht und wie sich Kommunikation unter deren Einfluss verhält. Menschen können in einer Gesellschaft nur nachhaltig zusammenleben, wenn die Rahmenbedingungen, die sozialen Normen, im Verständnis eines offenen, toleranten und erkenntnisorientierten Miteinanders bestehen und vermittelnde mediale Kanäle im Sinne dieser Werte gestaltet sind. An vielen Stellen scheint hier noch ökonomisches Interesse das Interesse des Gemeinwohls zu übertreffen. Die Beschäftigung mit altruistischen Ansätzen ist unter Anbetracht aktueller sozialer Zerwürfnisse unabdingbar. 

Sicherlich ist die Ausbildung zwischenmenschlicher Fähigkeiten anhand der Gewaltfreien Kommunikation nach Rosenberg nicht die einzige Möglichkeit auf dem Weg, dieses Ziel zu verwirklichen, jedoch stellt sie, den Erkenntnissen dieser und vieler anderer Arbeiten aus Soziologie, Psychologie und Kommunikationswissenschaften nach zu urteilen, einen vielversprechenden Ansatz dar.

Die Ergebnisse dieser Arbeit liefern unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten nur eine erste, tendenzielle Bestätigung der Hypothese, aber einen grundlegenden Versuchsaufbau, dessen Ergebnisse unter größerem finanziellen und zeitintensiven Aufwand weiter zu quantifizieren und gegebenenfalls zu testen und zu iterieren sind.

4. ANHANG

Testing—Ergebnisse der Befragung aus Runde 1:

https://markwallisch.typeform.com/report/oyrxZ1jn/4DjnMpyl4owusUQF

___

Testing—Ergebnisse der Befragung aus Runde 2:

https://markwallisch.typeform.com/report/wVSLUaun/zQW61zxgrfcAwTp0

___

Testing—Auswertung der Kommentar-Antworten aus dem Prototypen (Runde 1 und 2 im Vergleich):

Testing-Auswertung_v2.pdf PDF Testing-Auswertung_v2.pdf

Ein Projekt von

Fachgruppe

Intermediales Design

Art des Projekts

Masterarbeit

Betreuung

foto: Prof. Alejandro Lecuna

Entstehungszeitraum

Wintersemester 2021 / 2022

Keywords