In seiner Funktionalität auf die Lehre in gestalterischen Studiengängen zugeschnitten... Schnittstelle für die moderne Lehre
In seiner Funktionalität auf die Lehre in gestalterischen Studiengängen zugeschnitten... Schnittstelle für die moderne Lehre
Großprojekt Stadtschwärmer im Sommersemester 2023 unter der Leitung von Brigitte Hartwig und Wencke Hamann.
Städte wie Dessau sehen sich mit Herausforderungen konfrontiert, wie einer Abwanderung junger Menschen und dem Verfall der Innenstädte mit zahlreichen Leerständen. Im Kurs beschäftigten wir uns mit der Frage, welche Maßnahmen ergriffen werden können, um dieser Entwicklung entgegenzuwirken. Dabei sollte am Ende des Semesters keine konkrete Antwort darauf folgen, sondern eher die Grundlage zum Beginn der Forschung für die weiteren Semestern geschaffen werden.
Im Rahmen einer Zusammenarbeit mit Studierenden des Fachbereichs Architektur wurde ein Fragenkatalog erstellt, um herauszufinden, was die Bewohner von Dessau an ihrer Stadt schätzen und was ihnen fehlt. Unsere Aufgabe bestand darin, diesen Fragenkatalog frei zu interpretieren und eine kreative Umfrage zu gestalten. Darüber hinaus erhielten wir die Möglichkeit, einen Raum im ehemaligen Fotoladen unter den Arkaden der Ferdinand von Scholl Straße 5 zu beleben, um die Wünsche und Bedürfnisse der Dessauer Bevölkerung zu erfüllen.
Wir begannen mit Skizzen, um zu brainstormen, was für uns Dessau ausmacht. Für mich symbolisiert Dessau die Gestaltungsmöglichkeiten und die Menschen, mit denen man sich umgibt. Ich versuchte auch, die Stadt abstrakt darzustellen, indem ich mit verschiedenen dunklen Formen (Rau, Leer, Still) arbeitete, die immer wieder von bunten Motiven (Natur, Freunde, Kreativität) durchbrochen wurden.
Während des gesamten Projekts arbeiteten wir eng mit der Druckerei des Vororts zusammen. Dabei lernten wir den Risodruck kennen, eine Drucktechnik, die lebendige Farben und Überlagerungen ermöglichte. Mein Motiv beschreibt eine Typische Situation mit jemandem, der mich in Dessau besuchen würde. Unser späteres Design für die Umfragen und den Raum wurde von diesen Möglichkeiten inspiriert.
Die Entscheidungen zur Darstellung und Gestaltung wurden in Gruppenabstimmungen getroffen. Zuerst ging es ans Festlegen der Profil - und Gestaltkriterien, wobei Worte wie „Fröhlich“, „Laut“ und „Aggressiv“ besprochen und bewertet wurden. Wie wollen wir wirken?
Namensfindung – wie nennen wir ein Projekt, dass erst in Zukunft konkreter wird? Neben Centerschock, Pflaster, Mittendrin etc. entschieden wir uns für den Namen „mitte“. Es beschreibt am besten, wofür der Laden letztendlich steht: Zusammenkunft und Aktion aus der Mitte Dessaus heraus. mitte kann dabei für vieles stehen, sowohl für den Laden als auch die Gruppe und deren Aktionen. Der dazugehörige Artikel ist somit frei wählbar.
Unser Ziel war es, eine freundliche, ruhige und klare Gestaltung mit einem Hauch von Verspieltheit zu schaffen, die den Dessauern gefallen würde.
Die Typografie und das Logo wurden ebenfalls demokratisch abgestimmt und die Schriftart „Friends“ wurde aus vielen Beispielen ausgewählt. Das Logo basierte auf einer Idee, die während des Kurses entwickelt wurde, von mir weitergedacht und von Nicola schließlich finalisiert wurde. Die Farbauswahl ergab sich aus den Risodruckfarben Blau, Gelb und einem knalligen Pink. Die Gestaltung von mitte kennzeichnet sich durch ein belebtes, freundliches Auftreten.
Die Grundlage für die Motivsprache legte Lottes Illustrationen von zweidimensionaler Räumlichkeit. Darauf aufbauend gestaltete ich fiktive Programmflyer für mitte.
Cosima und ich hatten Lust, mit Leuten aus Dessau direkt und offen ins Gespräch zu kommen. Warum also nicht einfach eine Wohnzimmer Atmosphäre auf die Straße holen? Mit nicht mehr als zwei Sesseln und einer Frage.
Ausgestattet mit zwei auffälligen Sesseln aus dem Seminarraum und einem Lastenrad aus dem Vorort begaben wir uns zu fünf Stationen in der Dessauer Innenstadt. Im Nachhinein stellten wir fest, dass es nicht mehr als ein Schild mit einer Frage und zwei Stühlen brauchte, um mit den Menschen ins Gespräch zu kommen. Tischchen, Tee und Abgrenzungen waren nicht notwendig.
Anfangs fühlte es sich ungewohnt und unangenehm an, mitten auf der Straße zu sitzen und zu warten. Wir mussten die Menschen aktiv ansprechen, damit sie zu uns kamen. Es gab sicherlich auch Ablehnungen, aber man wurde mit der Zeit immun dagegen.
Es war erstaunlich, wie viele Leute offen für Gespräche waren. Besonders ältere Menschen freuten sich, dass jemand ihnen zuhörte, und erzählten uns gerne ihre Geschichten. Meine anfänglichen Vorurteile wurden widerlegt. Insgesamt befragten wir 13 Menschen im Alter von 16 bis 86 Jahren, alle waren freundlich und aufgeschlossen. Die Liebe zum Grün in Dessau einte sie, jedoch sehnten sie sich nach mehr kostenfreien und einladenden Ruhezonen in der Stadt. Es war erstaunlich zu sehen, wie ähnlich sich die Meinungen von Jung und Alt waren.
Mein Zine widmete ich den befragten Personen unserer Umfrage. Klar ging es um die Frage, wo es sich in Dessau am besten sitzen lässt. Aber die Geschichten und Menschen dahinter, die wir kennenlernen durften, waren eigentlich viel spannender und sind mir sehr in Gedanken hängen geblieben.
Zum Schluss standen wir vor der Aufgabe, unsere Zines zu präsentieren. Der Raum musste eingerichtet werden und für die Präsi übernahm ich die Aufgabe, alle Daten meiner Kommiliton:innen zu sammeln und übersichtlich zu sortieren.
Einer der größten positiven Aspekte für mich war die Freude am Social Design. Die Schaffung und Vermittlung von Kultur, die Belebung von Räumen und die Interaktion mit Menschen fühlen sich für mich wie ein guter Weg für mich an. Meine Sicht auf Dessau hat sich ebenfalls positiv verändert. Ich denke nun mehr darüber nach, wie ich über die Rentner hier rede… da sie viel erlebt haben, so viel spannendes zu erzählen haben und oft nur einsam zu Hause sitzen. Es fühlt sich gut an, sich für sie zu öffnen. Die Art der Creative Survey war für mich auch definitiv ein Schritt raus aus meiner Comfort Zone. Auch die Zusammenarbeit mit Cosima bleibt mir gut in Erinnerung, weil ich mich immer auf sie verlassen konnte und es Spaß gemacht hat.
Eine weitere Erkenntnis, die ich mitnehme, ist, wie anspruchsvoll und nervig Gruppenarbeit sein kann. Die Dynamik in der Gruppe war manchmal träge und es war herausfordernd, die Motivation hochzuhalten. Deadline-Druck erwies sich als motivierend, wurde aber auch nicht immer eingehalten. Was macht man, wenn einfach keiner auftaucht? Wenn einfach keiner spricht? Die Endpräsentation habe ich gerne gemacht, da ich es mag, die Dinge zu komprimieren und den letzten Schliff zu geben. Allerdings möchte ich in Zukunft nicht mehr davon abhängig sein, dass 15 Leute ihre Verantwortung übernehmen. Die Moderation und Unterstützung von Wencke war dabei sehr hilfreich, da sie immer Positivität und Struktur in den Arbeitsrhythmus brachte. Dafür bin ich sehr dankbar und es war sehr inspirierend zu sehen, wie man einen Kurs leiten kann. Trotzdem hatte ich oft Kopfschmerzen und ich glaube, dass noch viel mehr aus dem Projekt herausgeholt hätte werden können, wenn die Gruppe insgesamt mehr Antrieb gehabt hätte.