In seiner Funktionalität auf die Lehre in gestalterischen Studiengängen zugeschnitten... Schnittstelle für die moderne Lehre
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Auseinandersetzung mit Ästhetik im Wohnraum
Produktentwicklung
Vorhandenes wird in Frage gestellt und die Antwort der Zeitgemäßheit des Ästhetikbegriffs diskutiert und gefunden. Ein Gedankenspaziergang wird unternommen.
Bachelor-Thesis
Luisa Pötzsch
Wintersemester 2023/24
Betreuung:
Prof. Nicolai Neubert, Matthias Lipeck M.A.
Hochschule Anhalt, Fachbereich Design
Bereits im antiken Griechenland vor mehr als 2300 Jahren interessierte man sich dafür Schönheit zu begründen. Seitdem haben sich immer wieder bekannte Philosophen wie Aristoteles, Platon oder Hegel damit beschäftigt.
In der Frühromantik begann man damit in der Unvollkommenheit das positive zu sehen. Es wurde kein Wert mehr auf die Darstellung derzeitiger Schönheitsideale gelegt. Man wollte das Unverschönte, das Natürliche und Alltägliche zeigen. Seitdem ist schön kein Synonym mehr für ästhetisch, da auch das Hässliche ästhetisch sein kann. Häufig empfinden Menschen etwas als hässlich, was vom Idealbild abweicht.
Heute versteht man unter Ästhetik Eigenschaften, die beeinflussen, wie Menschen etwas unter Schönheitskriterien beurteilen. Als ästhetisch gelten Eigenschaften, die die Sinne ansprechen. Der Begriff Ästhetik stammt vom altgriechischen Wort Aisthesis ab, was so viel bedeutet wie sinnliche Wahrnehmung oder Empfindung. In der heutigen Zeit gilt Ästhetik als Theorie des Schönen, des Erhabenen und des Hässlichen. Trotzdem wird die Einschätzung als ästhetisch häufig ausschließlich positiv assoziiert. Die alltägliche Wahrnehmung mit den fünf Sinnen ist nicht gleich Ästhetik. Eine Aufmerksamkeit auf Gelesenes, Gesehenes und Gehörtes wird bewusst hergestellt. Erst die Verbindung von sinnlicher Wahrnehmung mit einer intellektuellen Beurteilung macht ästhetisches Werten möglich. Eine endgültige und eindeutige Bestimmung des Ästhetikbegriffs ist wie bei vielen geschichtlich geprägten Begriffen nicht möglich.
Die Ästhetik ist auch präsent in den Medien. Im digitalen Zeitalter werden mediale Botschaften bewusst formatiert. Die Medien bilden ein Paralleluniversum mit eigener Wirklichkeit. Längst übermitteln sie nicht mehr nur Botschaften. Sie prägen das gesamte Denken, Handeln Fühlen, Erinnern und die Kommunikation. Kurzum ist Medienästhetik die Wahrnehmung unter den Regeln und Bedingungen der neuen Medien. Mediale Zeichen lösen so Emotionen aus, die kollektive gesellschaftliche Reaktionen auslösen, die in der Auslösung von Handlungsimpulsen münden. Das Schöne wird idealisiert, eine ästhetische Scheinwelt erschaffen und das Hässliche sogar in seinen extremen Ausprägungen akzeptiert. Diese neue Ästhetik läuft oft auf Konsum hinaus.
Ästhetische Urteile sind immerzu mit Emotionen verknüpft und kulturell bedingt. Bei der Urteilsbildung fließen Faktoren mit ein wie Wünsche, Vorlieben, Werte, bewusste Entscheidungen, Instinkt, Intellektuelle Meinungen und Training. Das macht eine Vergleichbarkeit und Allgemeingültigkeit schwer. Je höher die ästhetische Sensibilität ausgeprägt ist, umso höher muss die Qualität des Wahrgenommenen sein, um einen emotionalen Reiz auszulösen.
Ein Problem der aktuellen Gesellschaft ist die voranschreitende Ästhetisierung. In den sozialen Medien werden Inhalte harmonisiert und lebensfremd dargestellt. Auch im Lebensraum der Menschen hat diese Ästhetisierung Einzug gehalten. Um die bewusste Verschönerung zu erreichen, wird der bekannten Wahrnehmung ein zusätzlicher Reiz hinzugefügt. Die Betrachtung solcher Gegenstände soll bestimmte Gefühle herbeiführen. Die Objekte werden idealisiert und ein unrealistisches Weltbild wird erschaffen. Dabei löst ein Mensch bei anderen Menschen Gefühle aus, durch seine individuell erschaffene Wahrheit.
In der Gesellschaft wird Wissen weitergegeben. So ist auch der Prozess der ästhetischen Erziehung durch Einwirken von außen geprägt. Es soll die Fähigkeit der ästhetischen Teilhabe erworben werden, um sich in der Gesellschaft zurecht zu finden. In der Erziehung entscheiden Erwachsene, bereits von der Kultur geprägte Menschen, wie und welche Inhalte vermittelt werden. Ästhetische Erziehung impliziert, dass Menschen auf andere Menschen angewiesen sind, um das Sinnliche Erfahren zu erlernen. Wird zu viel Einfluss mit dieser Art der Erziehung genommen, ist die schlimmste Folge die Entindividualisierung. Letztendlich ist die ästhetische Erfahrung von der individuellen Ausprägung der Sinne abhängig. Ziel der ästhetischen Erziehung ist die Wegbereitung menschlicher Individualität und Selbstbestimmung.
Man unterscheidet die angeborene und erlernte Ästhetik. Erlernte Ästhetik umfasst primär Kunst, Design, Moral und Kultur. Sie ist von Mensch zu Mensch sehr unterschiedlich ausgeprägt und wird beeinflusst durch Gesellschaft, Kultur, Alter, Erfahrung, das Erlernte und Erinnerungen. Ihr entgegengesetzt steht die angeborene Ästhetik. Der Mensch besitzt seit seiner Geburt in seinen natürlichen Wahrnehmungsstrukturen eingebaute gestalterische und prototypenhafte ästhetische Konzepte. Diese intuitive, angeborene, universelle Wahrnehmung sorgt dafür, dass Harmonien, bestimmte Proportionen, wie der Goldene Schnitt und Symmetrien als eindeutig ästhetisch wahrgenommen werden. Diese Erkenntnisleistungen werden vererbt. Viele in der Umwelt existente Reize kommen den eingebauten Vorlieben der Menschen entgegen. Das führt zur Aktivierung und Befriedigung der Bedürfnisse. Es mündet darin, dass es auf der Ebene der angeborenen Ästhetik durchaus Übereinstimmungen und Gemeinsamkeiten bei den Menschen gibt. Beispielsweise führt ein Aufenthalt im Wald zu Wohlbefinden.
Durch die konstante Reizüberflutung in den Städten sind die Menschen zunehmend gestresst. Zu wenig Natur macht auf Dauer sogar krank. Das liegt der genetischen Veranlagung der Menschen zugrunde. Das positive Gefühl beim Aufenthalt im Wald ist evolutionär bedingt und uns bis heute erhalten geblieben. Die Natur ist mit allen Sinnen wahrnehmbar und wird von den Menschen als ästhetisch und reizlich angenehm empfunden. Verantwortlich hierfür ist die vorherig genannte angeborene Ästhetik. Aus dem Grund macht die Annäherung ans Natürliche und eine Auseinandersetzung mit dem Ursprünglichen Sinn.
Als Inspirationsquelle zog ich das Kambrium heran. Dabei verknüpfe ich die fernste Vergangenheit mehrzelligen Lebens-das Kambrium mit der augenblicklichen Gegenwart- den lebenden Menschen des 21. Jahrhunderts.
Laut Erkenntnissen des letzten Jahres gehörten in kambrischen Gewässern Quallenarten zu den Spitzenräubern. Heute haben wir den Klimawandel und Überfischung, dadurch fehlende Fressfeinde. Der Eintrag von Düngemitteln, Abwässern und Abgasen löst reiche Nährstoffvorkommen aus, wodurch das Algenwachstum angekurbelt wird und Todeszonen entstehen, in denen Quallen allerdings gut leben können. Das hat zur Folge, dass sie sich massenhaft ausbreiten, ganze Fischfarmen vernichten, Fischernetze und Kühlanlagen von Reaktoren verstopfen. Sie verdrängen heimische Arten und fressen Fischlarven auf. So steht der Welt eine mögliche Rückreise in die Vergangenheit bevor, deren Folgen für Mensch und Tier unerfreulich sein könnten. Aus dem Grund macht die Betrachtung des Vergangenen aktuell Sinn.
Das Kambrium begann vor circa 541 Millionen Jahren. Zu der Zeit war die Erde großflächig überflutet und das Leben fand im Ozean statt. Es gab eine geringere Sauerstoffkonzentration als heute in Luft und Wasser. Durch einen Evolutionsschub änderte sich das allerdings rasch. Es gab einen Sauerstoffanstieg und erstmals traten Räuber auf.
Die Besonderheit des Kambriums ist die Panzerbildung. Sie erfolgte zum Schutz und zur Verteidigung in Reaktion auf die neuen Fressfeinde. In einem kurzen Zeitraum von 400000 Jahren traten zahlreiche neue Arten auf und entwickelten neue Baupläne mit Innen- und Außenskeletten, Gehäusen, Stacheln, Panzern, Borsten und Fortsätzen. Andersartige Eigenschaften als zuvor lösten eine Kettenreaktion aus, wodurch immer neue Anpassungen und resultierende Merkmale entstanden. Daraus resultierte dann auch das skurrile Aussehen der Lebewesen.
Ich verbinde das Kambrium mit der Ästhetik, da der Mensch das Kambrium nicht seinem Ästhetikverständnis unterwerfen konnte. Die ersten Lebewesen waren vor uns da und evolutionär Geschaffenes fällt in die angeborene Ästhetik. Aus dem Grund verknüpfe ich eine ferne erdgeschichtliche Epoche mit der Gegenwart. Zeit ist das Bindeglied. Seit Jeher bringt sie Veränderung mit sich. Auch das Ästhetikverständnis wandelte sich mit der Zeit.
Verglichen mit den Lebewesen des Kambriums sind die Menschen nackt und schutzlos wie Nacktschnecken. Aus dem Grund suchen sie Schutz. Zu Anfang ihrer Existenz taten sie dies in Höhlen, heute in Wohnungen. Die Wohnung bildet den natürlichen Lebensraum der Menschen des 21. Jahrhunderts.
Aber der Wohnraum ist knapp. Es gibt immer mehr Menschen und mehr davon leben allein. Die Jüngeren sind häufig eingeschränkt in der Wahl ihres Lebensraums. Gestiegene Kosten haben zur Folge, dass ihre Wohnungen meist kleiner und kompromisshafter ausfallen. Um alle Einrichtungsgegenstände unterzukriegen sind Minimalismus und Puzzlearbeit gefragt.
Es gibt bereits einen Markt von Ordnungshelfern, die in allen möglichen Volumina Anwendung finden sollen. Der Kleiderschrank gehört zu den Klassikern. Im Folgenden habe ich mich daher auf Ordnungshelfer konzentriert, die bei der Organisation, der schnellen Ablage und Verfügbarkeit von Kleidung helfen sollen.
Im Wohnraum zeigt sich die ästhetische Erziehung der Menschen. Auch der Markt ist Einflussfaktor. Die moderne Ästhetik ist durch die Medien auf Konsum ausgerichtet, wie in der Medienästhetik bereits verdeutlicht. Ein Kleiderschrank beinhalte genau solche sammelbaren Konsumgüter, von denen man mehr besitzt als nötig. Ausgehend von diesem Betrachtungsbeispiel stieß ich schließlich auf Kleiderständer. Diese sind offen einsehbar und einfacher in Ordnung zu halten. Man kann vorausplanen und kurzfristig aufbewahren. Ein Problem der Kleiderschränke sind die scharfen Kanten und geraden Linien. Diese sind der maschinellen Reproduzierbarkeit geschuldet. Die statischen Möbeltücke tragen jedoch dazu bei, die Menschen ihrer natürlichen Umgebung zu entfremden. Ein Vorteil der Kleiderständer ist, dass sie freier im Nutzen sind als Schränke, deren Benutzung wir gelernt haben. Mit ihnen kann spielerisch und individuell interagiert werden. Es wird auf das Wesentliche reduziert und der Reizüberflutung entgangen.
Kleiderständer nennt man auch Stumme Diener. Im Folgenden wurden 12 Objekte unter die Lupe genommen. Schlussfolgernd lässt sich feststellen, dass die Raumeinnahme das entscheidende Kriterium war und ein geringes Gewicht von Vorteil sein würde. Durch den Verzicht auf vorgegebene Winkel und Bohrungen könnte man ein universell passendes Objekt erstellen. Das Material würde ebenfalls eine wichtige Rolle spielen.
Die Herausforderung war es, ein platzsparendes Objekt zu erschaffen, das bei Nichtbedarf verstaubar wäre. Ich wollte den Aufschwung in die Höhe wagen, weg vom Boden, um den Raum darunter anderweitig nutzen zu können. Ich entschied mich für die Reduzierung auf zwei Beine, um maximale Freiheit zu erlangen. Im Gegensatz zu bereits existenten Kleiderständern sollte in meinem Entwurf nicht die Kippstabilität die entscheidende Rolle spielen.
Bereits im Kambrium spielte Sauerstoff eine wichtige Rolle. Heute gehören Bäume zu den Sauerstoffproduzenten. Sie sind den Menschen gar nicht so unähnlich. Auch sie vernetzen sich und tauschen Informationen und ungleich verteilte Ressourcen aus. Bäume besitzen die einzigartige Eigenschaft Alterungsspuren in Form von Jahresringen unter der Rinde zu tragen. Beim Geschnittenen Holz werden sie sichtbar. Wie der Mensch auch ist jeder Baum ein Individuum. Durch die sparsame Verwendung von Holz wollte ich auf eine Rückbesinnung zur Natur verweisen. Das den Menschen angenehme Material macht Zeit sichtbar, die ansonsten unsichtbar um uns herum existiert. Eine Lebensspanne wird vor Augen geführt und in Bezug gesetzt mit den Anfängen der Entwicklung des Mehrzelligen Lebens, das sich ebenfalls mit dem Verrinnen von Zeit entwickelte.
Wichtig zu beachten ist, dass jegliche Gestaltung, die ich vornehme, vorbelastet ist von dem, was ich in meinem Leben gelernt habe, was mir von Erziehenden vermittelt wurde und von meinem persönlichen Geschmack und Präferenzen. Ich bin kein neutrales Wesen. Ich kann lediglich die Freiheit, die mir die neue Auffassung des Ästhetikbegriffs gibt, nutzen, um eine Fantasie beflügeln zu lassen. Die Menschen könne dann positive und negative Gefühle beim Betrachten und Interagieren mit dem Produkt entwickeln. Bei der Gestaltung wollte ich mich nicht an spezifischen Formen orientieren, eher am Prozess der Entwicklung des Labens. Das Objekt besitzt verschiedene Proportionen, vergleichbar mit den unterschiedlichen Geschwindigkeiten der Evolution.
Um die Funktionalität zu testen, wurde zunächst ein Mock-up aus lufttrocknender Modelliermasse im Maßstab b1:10 erstellt. Dabei erwies sich die Zweibeinigkeit als unproblematisch. Für einen noch besseren Stand kann ein Teppich untergelegt werden.
Schließlich begann ich mit der Umsetzung. Ich arbeitete mit einer Massivholzplatte aus Fichte mit den Maßen 150x60x4 cm. Direkt zu Beginn der Arbeit zerbrach die Platte längs in zwei Teile. Der Riss war bereits vorhanden gewesen und hatte nachgegeben. Das Brechen des Materials hatte mich auf ein Problem aufmerksam gemacht. Die Verbindungsstelle der Beine war schmal und verlief quer zur Faserrichtung. Beim Anheben würde man jedoch genau dort Druck ausüben. Aus dem Grund trennte ich das Bein ab. Ich griff dem Bruch vorweg und konnte so mehr mit dem Material arbeiten als dagegen. Als Verbindung wählte ich ein Stahlrohrstück. Das Verarbeitete Material steht dabei im starken Kontrast zum Gewachsenen. Es handelt sich um eine reine Steckverbindung. Die Form arbeitete ich mit Hilfe von Raspeln und eines Dremels heraus. Schlussendlich wurde das Objekt abgeschliffen, um eine angenehme Haptik zu erzielen. Am Ende ölte ich das Holz, um den Charakter des Fichtenholzes zu unterstreichen.
All die Informationen über kambrische Lebewesen, Ästhetik und den Wohnraum versponn ich zu einem Objekt. Das ist nicht der erwünschte Kleiderständer. Es ist mehr als das und gleichzeitig weniger.
Das Objekt baut eine Bindung zur nutzenden und betrachtenden Person auf. Es erlaubt einen individuellen Nutzen, je nach Wünschen und Bedürfnissen der Menschen. So kann keine allgemeingültige Beschreibung gefunden werden. Die Form ist so gestaltet, dass Raum für Interpretation vorhanden ist. Die Anmutung versteinerter Wirbel und Skelettteile inspirierte mich dazu, im rechten Beinabschnitt den evolutionären Abschnitt des Kambriums herauszuarbeiten. Die 3 schmalen Ausläufer im oberen Bereich stehen für Wachstum und Streben und in der Übersetzung für den Geistigen Zuwachs der Menschen im Laufe ihres Vorkommens auf der Erde. Die gewachsene Form transportiert den Charakter des Trägermaterials der Form. Drei Aussparungen in verschiedenen Größen sind vorhanden. Sie stehen für die eigentliche Freiheit, die die Menschen besitzen. Der Erste Freiraum kann für die Vergangenheit stehen, der zweite für die Gegenwart. Die kleinste Öffnung gewährt eine Vorahnung der Zukunft. Die knochige Anmutung entstammt dem Hauptmerkmal der kambrischen Explosion: Der Ausbildung von Innen- und Außenskeletten. Dieses Merkmal verdeutlicht die Abhängigkeit menschlicher Existenz von den kambrischen Entwicklungen. Das bedeutet, dass auch der Mensch nur Teil der Natur und der sich wandelnden Evolution ist. Einige Risse du feine Linien versinnbildlichen das Auftreten von Fressfeinden im Kambrium und verdeutlichen in der Übersetzung den Wert des Lebens, ausgelöst durch die Gewissheit der Vergänglichkeit. Sie zeigen den Einfluss der Elemente, denen das Holz jahrelang ausgesetzt war und getrotzt hat. So stehen sie für Stärke und Widerstand. Im linken Bein, weit weg vom Rechten, wenn man den Landweg wählt, befindet sich der menschliche Charakter. Ich habe den grö0tmöglichen Abstand gewählt, um die Menge der vergangenen Zeit zu zeigen. Das linke Bein besitzt an dessen Ende vier Zehen. Diese muten beinahe menschlich an. Der Fuß ist mit dem restlichen Objekt verschmolzen, was für die Verbindung von heute und damals steht und dafür, was wir mit dem Wissen über vergangene Zeiten anfangen können, was wir daraus lernen können.
In der Nutzung ist die jeweilige Person völlig frei. Es gibt keine Vorgabe, kein Richtig oder falsch. Der Name hat bewusst keine Bedeutung. Rosvaaien soll intuitiv aus einem Gefühl heraus genutzt werden und in der Folge Gefühle auslösen.
Die Form regt durch ihre Natürlichkeit und Verspieltheit dazu an, sich selbst Gedanken zu machen und nimmt gleichzeitig die Angst vor Fehlern. Die nutzende Person sollte sich zunächst einmal mehrere Stunden gemeinsam mit Rosvaaien in einem Raum aufhalten. Schließlich wird die Interaktion von selbst beginnen. Ich gebe bewusst keinen Nutzen vor, um nicht zu beeinflussen.
Es befindet sich ein schmaler Grat zwischen Freiraum lassen und zu viel Freiheit. Diese kann dann überfordernd und Verwirrung stiften. Diese Verwirrtheit ist keinesfalls negativ zu betrachten. Denn genau sie ist es, aus der Ideen und Lösungen entstehen können. Die Verwirrtheit zeigt das Problem der dem natürlichen Lebensraum entfremdeten Menschen auf und befeuert die Individualität neu. Man muss sich auf das Objekt einlassen und sich Zeit geben, es zu verstehen. In der Folge werden ganz unterschiedliche Objekte auf dem Trägermaterial es Rosvaaien entstehen. Die Möglichkeiten enden dort, wo die Fantasie der interagierenden Person aufhört. Rosvaaien ist durch die geringe Tiefe hervorragend in Nischen und Zwischenräumen verstaubar. Durch den separaten, rutschfesten, selbst baubaren Abstandhalter aus Kork wird Abstand zur Wand geschaffen, ohne die Verräumbarkeit zu beeinträchtigen.
Die Materialkosten belaufen sich auf die 65 Euro des Holzes. Die Umsetzung hat 23,5 Stunden gedauert. Bei der Vergütung mit dem Mindestlohn ergibt sich ein Preis von 347 Euro. Das Produkt sollte nicht in Masse, als gedankenlos kaufbares Konsumgut gefertigt werden. Dadurch ist keine Vergünstigung möglich. Der angegebene Preis ist nur für das eine Objekt gültig und nicht gewinnorientiert. Bei einer Fertigung in der Manufaktur würden Preis und Fertigungszeit anders ausfallen. Hier lässt sich anmerken, dass der Preis ein Erreichen der Zielgruppe nahezu unmöglich macht. Das Problem hatte ich bereits am Anfang vermutet, jedoch kein besser passendes Material gefunden, dass dieselbe Botschaft transportiert. Aus dem Grund ist hier noch Raum für Verbesserung vorhanden.
Was ich gelernt habe, ist, dass es nicht möglich ist, den Geschmack von allen zu treffen. Mit Ästhetischer Erziehung nehmen wir Einfluss, geben vor, was gut und schlecht ist. Dabei ist nichts so, wie es auf den ersten Blick zu sein scheint.
Ästhetische Trenderscheinungen tentieren in der modernen Gesellschaft dazu, sich schneller zu verflüchtigen als früher. Außerdem gewinnen Ästhetiken, die nicht ins vorgelebte europäische Ästhetikempfinden passen, sogar einen Gegensatz dazu darstellen immer weiter an Bedeutung. Die Ästhetik ist höchst schwankend. Wie kann man sich mit ihr noch universell ausdrücken, wenn doch jede*r etwas anderes darunter versteht?
Wir sind am Ziel und Ästhetik ist allumfassend. In der Sprache ist Ästhetik eine gesellschaftlich akzeptierte, sogar erwünschte Art sich auszudrücken, zu beurteilen, die eigene Meinung kundzutun, obgleich sie höchst unpräzise und meiner Meinung nach in der Folge ersetzbar ist. Wenn das Wort Ästhetik das Schöne, das Erhabene, das Hässliche, sogar das Verstörende zusammenfasst, dann ist die Bezeichnung als ästhetisch wertlos. Deshalb lautet mein Vorschlag, sich präzise auszudrücken. In Kunst und Design schafft der weite Ästhetikbegriff eine große Freiheit. Dadurch, dass es keine Vorgaben gibt, ist Raum für grenzenlose Fantasie vorhanden.
Designer*innen könne demnach entscheiden, ob sie etwas dem Kulturkreis, in dem sie sich befinden, anpassen, oder Wahrnehmung und Sinne herausfordern und etwas neues wagen. Es kann niemandem zustehen, über etwas von anderen Geschaffenes zu urteilen, da so viele Einflüsse in ein ästhetisches Urteil einfließen, dass die Beurteilung nicht möglich ist.
Kunst und Gestaltung sollten frei sein. Die Macht der Sprache kann man nutzen, um sich genau und verständlich auszudrücken, jedoch immer mit dem Hintergedanken niemandem die eigene Meinung aufzwingen zu wollen, da doch die Unterschiedlichkeit der Menschen sie zu etwas besonderem Macht.
Und wenn die Berge vom Himmel fallen und das Meer in den Wolken versinkt, wenn die Fische in der Wüste zappelnd tanzen, dann fährt die Sonne auf einem hölzernen Boot dahin und bewundert das sich ihr bietende Schauspiel.
Die Verwirrung ist der Anfang von Erkenntnis und Neuorientierung.