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GRUNDLAGEN FOTOGRAFIE SoSe 25 Dokument

GRUNDLAGEN FOTOGRAFIE SoSe 25 Dokument

Im Grundlagen‑Modul 4 Fotografie sollten wir ein eigenständiges fotografisches Projekt umsetzen, bei dem sowohl Technik als auch Gestaltung und inhaltliche Auseinandersetzung eine Rolle spielen. Mein Ausgangspunkt war der theoretische Text zum Thema „Dokument“, vor allem das Zitat von Bertolt Brecht:

„Die Fotografie ist die Möglichkeit einer Wiedergabe, die den Zusammenhang wegschminkt. […] aus der (gewissenhaften) Fotografie einer Fordschen Fabrik keinerlei Ansicht über diese Fabrik gewonnen werden kann.“

Mich hat daran fasziniert, dass Fotografie zwar immer so aussieht, als würde sie „die Realität“ zeigen, gleichzeitig aber vieles verschweigt. Genau diesen Widerspruch wollte ich in meinem Projekt sichtbar machen.

Idee

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Da ich selbst keine eigenen dokumentarischen Aufnahmen hatte, suchte ich nach einer anderen Herangehensweise. Mich interessierte, wie bestehende Bilder in neuen Kontexten andere Bedeutungen annehmen können.

Über  Kleinanzeigen stieß ich auf ein Konvolut alter analoger Fotos, das Stefanie für 5 € anbot. Sie erzählte mir, dass sie die Bilder zwar schön fand, aber nichts über ihre Herkunft wusste, da sie nicht aus ihrem eigenen Leben stammen. Gleichzeitig bezeichnete sie das Ausmisten und Verkaufen dieser Fotos als eine Art Selbsttherapie.

Diese Mischung aus privaten Geschichten, Lücken im Erinnern und dem Wunsch, Dinge loszuwerden, war für mich der ideale Ausgangspunkt, um das Thema Dokument persönlich und gleichzeitig theoretisch zu bearbeiten.

Recherche

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Nach dem Erwerb begann ich eine Spurensuche. Ich sichtete, digitalisierte und analysierte die Fotos, untersuchte die Rückseiten auf Hinweise wie Notizen, Daten oder Ortsangaben und dokumentierte Begleitmaterial wie Screenshots der Kleinanziegen-Anzeige und Chatverläufe mit Stefanie, um auch die digitale Dimension der Recherche sichtbar zu machen. Sobald ich mit andren über die Bilder redetet begann ich dies auditiv festzuhalten. Der Rechercheprozess war geprägt von zahlreichen Ungewissheiten, was den Reiz und die Fragilität des fotografischen Dokuments unterstrich.

Gestalterische Umsetzung

Gestalterisch verband ich analoges und digitales Arbeiten. Die Originalfotos wurden für die digitale Abgabe eingescannt. Für die Präsentation bei der DDS arrangierte ich die Bilder neu und und fotografierte diese, um sie zu inzidieren. Screenshots und Audionotzien sind Teil der Arbeit und machen die Recherche sichtbar, sie betonen, dass Fotografie immer auch ein Prozess des Findens und Interpretierens ist. So konnte ich verschiedene technische und gestalterische Methoden aus dem Kurs praxisnah anwenden.

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Für die Präsentation auf der DDS gestaltete ich einen Tisch, der aus mehreren gestalterischen Elementen bestand. Die Fotografien wurden teilweise unter einer Glasglocke inszeniert, teilweise direkt auf der Tischfläche arrangiert. Sie lagen auf zugeklebten, unkenntlich gemachten Büchern, die als Metapher für das Nichtwissen dienten. Ergänzt wurde die Installation durch ein iPad, auf dem die ursprüngliche Kleinanzeigen-Anzeige gezeigt wurde, begleitet von meinen Audio-Notizen. Zudem integrierte ich ein Buch aus der vermuteten Entstehungszeit der Fotos, dessen abgedruckte Landkarte eine geografische Verortung ermöglichte.

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Die digitale Abgabe gestaltete ich als Figma Prototypen, der sich durch Scrollen wie eine digitale Ausstellung erschließt. Dabei wird nicht nur das Ergebnis, sondern auch mein Arbeitsprozess sichtbar.

Erkenntnisse

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Im Verlauf des Projekts wurde mir bewusst, dass Fotos niemals objektive Dokumente sind, sondern immer Ausschnitte und Interpretationen. Brechts Kritik an der vermeintlichen Eindeutigkeit von Fotografien bestätigte sich: Bilder scheinen eindeutig zu sein, bleiben jedoch mehrdeutig und laden zur kritischen Reflexion ein. Ein Foto ist kein fertiges Dokument, sondern wird erst durch Auswahl, Kontextualisierung und Präsentation zu einem solchen.

Fazit

Aus einem scheinbar unscheinbaren Fund alter Fotos entstand ein Projekt, das zeigt, wie komplex und vielschichtig der Begriff des fotografischen Dokuments ist. Die Bilder, die für eine Verkäuferin keine persönliche Bedeutung mehr hatten, wurden für mich zum Ausgangspunkt einer Spurensuche, die private Erinnerung, theoretische Reflexion und gestalterische Praxis verbindet. Mein Projekt macht deutlich, dass Fotografie nicht nur Bilder liefert, sondern vor allem Fragen stellt.

Ein Projekt von

Fachgruppe

Integriertes Design

Art des Projekts

Studienarbeit im ersten Studienabschnitt

Betreuer_in

foto: Katia Klose

Zugehöriger Workspace

GL Fotografie

Entstehungszeitraum

Sommersemester 2025