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Araneo - Phänopraxie biobasierter Materialien

Araneo - Phänopraxie biobasierter Materialien

Diese Dokumentation stellt die Herangehensweise der Phänopraxie eines biobasierten Materials dar, erklärt wichtige Begriffe und Kontexte und eröffnet eine neue Sichtweise: Die materielle Beziehungsqualität zwischen Subjekten und Objekten.

Einleitung

„Es gibt Gegenstände, die begleiten einen durch das ganze Leben. Einen Gegenstand, den ich besonders schätze, das ist eine alte gusseiserne Türklinke. Die erste Begegnung mit dieser Klinke an die ich mich überhaupt erinnern kann, das war, als ich als Kind gerade mal da dran gereicht habe und versucht habe sie zu öffnen und sie dann direkt in der Hand hatte. Denn die ging direkt ab, die war damals schon nicht mehr richtig funktionsfähig. Sie war an einer Küchentür in einem uralten Haus, dreihundert Jahre alt zu einem Garten mit einem kleinen Teich raus. Und als Kind hatte ich eigentlich nichts anderes vor, als möglichst schnell und möglichst oft rein und raus zu kommen.“  - Prof. Hans Peter Hahn 

(Arp. (2013). Vom Eigensinn der Dinge. Deutschlandfunk.)

Als angehende Designer beschäftigen wir uns tagtäglich mit Beziehungen zwischen Subjekten und materiellen Objekten. Oft passiert das unterbewusst. Wir fragen uns, wie sich Menschen fühlen, wenn sie mit Objekten interagieren und welche Anforderungen sie an Objekte stellen. 

Doch oft betrachten wir diese Beziehungen nur als einseitig. Wir vergessen, dass ein Gegenstand für uns mehr sein kann als einfach nur ein Gegenstand. Er kann eine Geschichte erzählen und eine Beziehung zu uns aufbauen. Beziehungen können positive, aber auch negative Emotionen in uns auslösen. 

So beschreibt es Prof. Hahn, Ethnologe an der Universität Frankfurt am Main, in einem Interview mit dem Deutschlandfunk. Als Kind sah er die Türklinke als das, was sie eben war. Als Gegenstand, der ihm half, in den Garten zu kommen. Doch heute ist sie ein Erinnerungsstück. Er hat sie aufbewahrt und erfreut sich an ihrem immer noch optisch tadellosen Zustand. Die Türklinke hat für ihn an Wert gewonnen. 

Hahn erklärt diesen Prozess, wie Subjekt und Objekt eine Beziehung zueinander aufbauen können, über zwei Wege: 

„Wir haben zwei Fragen, die uns vor allen anderen interessieren, die erste betrifft die Erzeugung, die Generierung von Wert mit Hilfe von Dingen. Das kann ganz einfach handwerkliche Produktion sein. […] Die zweite Frage, die uns sehr interessiert, ist die Frage der Erzeugung von Werten durch Zirkulation, durch den Handel oder Tausch, durch die Übergabe, hier geht es auch um Geschenke, oder auch durch das Verlieren und wieder auffinden. Dinge werden durch die lange Geschichte in der so etwas passiert natürlich mit Bedeutung und Wert aufgeladen. Das wissen wir alle aus dem Antiquitätenhandel.“ - Prof. Hans Peter Hahn

(Arp. (2013). Vom Eigensinn der Dinge. Deutschlandfunk.)

Die Phänopraxie beschäftigt sich mit genau diesen Beziehungen und beschreibt diese Verbindung als materielle Beziehungsqualität. 

Durch die Phänopraxie ist es möglich, „ein besseres Verständnis von der Welt und von sich selbst in der Welt zu erlangen“. Es geht darum, „Handlungen und Begegnungen in der Welt auf Basis dieses Verständnisses zu ermöglichen.“ (Rabanus. (2015). Phänopraxie. Institut für Phänopraxie.)

Die Erarbeitung dieses Themas war Ziel des Wahlmoduls „Materielle Beziehungsqualitäten entdecken“. Durch das Verständnis der Phänopraxie ist es möglich, Design und die Gestaltung von Objekten in einem neuen Blickwinkel zu sehen und zu hinterfragen. Die Beziehungsqualität zwischen Objekten und Subjekten zu verstehen, bietet die Möglichkeit, den Designprozess völlig neu zu überdenken.

Beziehungsqualität, Resonanz und Entfremdung

Die Beziehungsqualität eines Objekts wird maßgeblich durch die Interaktion von Resonanz und Entfremdung geprägt. Resonanz beschreibt dabei die tiefe Verbindung zwischen einem Subjekt und seiner Umgebung, die durch Affizierung, intrinsisches Interesse und die Erwartung von Selbstwirksamkeit entsteht. Wenn Subjekt und Welt in Resonanz treten, berühren sie sich gegenseitig und erfahren eine gegenseitige Transformation. Auf der anderen Seite steht die Entfremdung, eine Beziehungsform, die von Gleichgültigkeit oder sogar Feindseligkeit zwischen dem Subjekt und seiner Umgebung geprägt ist. In diesem Zustand fehlt die innere Verbindung, und die Welt erscheint kalt und unzugänglich.

Das Zusammenspiel von Resonanz und Entfremdung formt die Art und Weise, wie das Subjekt seine Umgebung wahrnimmt und mit ihr interagiert. Objekte, die eine hohe Resonanz aufweisen, werden als anregend, sinnvoll und bereichernd empfunden, da sie eine tiefe Verbindung und Interaktion ermöglichen. Im Gegensatz dazu können Objekte, die von Entfremdung geprägt sind, als bedeutungslos und uninteressant wahrgenommen werden, da sie keine Verbindung oder Interaktion ermöglichen.

Insgesamt beeinflussen Resonanz und Entfremdung maßgeblich die Beziehungsqualität eines Objekts. Sie bestimmen, ob das Subjekt eine tiefe Verbindung zur Welt verspürt und sich von ihr inspiriert fühlt oder ob es sich distanziert und unberührt von seiner Umgebung fühlt. Somit sind Resonanz und Entfremdung wesentliche Aspekte, um die Art und Weise zu verstehen, wie das Subjekt mit seiner Welt interagiert und sie erlebt.

(Rosa. (2016). Resonanz - Eine Soziologie der Weltbeziehung. S.281-316)

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Resonanz und Entfremdung lassen sich in verschiedene Kategorien einteilen. Zur Resonanz gehören so zum Bespiel: Stimme, Widerständigkeit, Transformierbarkeit, Selbstwirksamkeit und Unverfügbarkeit. Ihnen gegenüber stehen die Kategorien: Stummheit, Fügsamkeit, Resistenz/Stabilität, Fremdwirksamkeit und Verfügbarkeit. Um die materielle Beziehungsqualität verschiedener Objekte herauszufinden, stellten wir die Kategorien  gemeinsam im Kurs in tabellarischer Form gegenüber und ordneten die Eigenschaften verschiedener Objekte ein.

Araneo - Phänopraxie eines biobasierten Materials

Mit diesem Wissen und der zuvor erschlossenen Tabelle erstellten wir unsere eigene Phänopraxie zu einem von uns gewählten biobasiertem Material, dem Araneo und stellten sie dem Kurs vor.

Araneo, ein innovativer biologischer Kunststoff, wurde 2018 im Rahmen eines Kurses der Materiability Research Group an der Hochschule Anhalt entwickelt, unter Beteiligung von Prof. Dr. Manuel Kretzer, Prof. Dr. Sina Mostafavi, Toni Pasternak, Anian Till Stoib, Iwan Mazlan, Mohamed Mansour, Jakob Emmerling und Gulfia Kutlahmetova. Entstanden im Biolab der Hochschule Anhalt, einem Ort der Entwicklung zahlreicher Biomaterialien, gibt Araneo eine Antwort auf globale Probleme:

Die Beleuchtung macht einen großen Prozentsatz des weltweiten Stromverbrauchs und einen beträchtlichen Prozentsatz der weltweiten Treibhausgasemissionen aus. Gleichzeitig haben schätzungsweise 16 Prozent der Weltbevölkerung keinen Zugang zu modernen Energiedienstleistungen. Licht ist eines der energieintensivsten Bereiche Deutschlands in Bezug auf den Stromverbrauch. Ein Prozent aller elektrischen Ströme in Deutschland werden zur Stromversorgung von Straßenlaternen und Lenkleuchten verwendet, und etwa 40% aller in Deutschland erzeugten Ströme wird in Braunkohlekraftwerken erzeugt. Neben dem Stromverbrauch wird die Lichtverschmutzung in größeren Städten zu einem massiven Problem. Das Araneo-Projekt schlägt daher einen anderen Ansatz für die städtische Beleuchtung vor, um weniger verschwenderische Produkte und eine komfortablere Atmosphäre für Fußgänger zu schaffen. Araneo ist ein selbstlumineszierendes Beleuchtungssystem aus einem hochflexiblen biologisch abbaubaren Material, das es einfach macht, auf praktisch jeder Oberfläche, wie Bäumen, Wänden oder Decken, aufgetragen zu werden. Das Projekt wurde mit einer sehr feinen und sehr detaillierten, roboterhaft gefertigten Form hergestellt. Nach einer Reihe von Eins-zu-Eins-Skalentests an verschiedenen Formen mit unterschiedlichen Morphologien und Größen erreichte das Endergebnis 1,2 Meter Länge und Breite.

(Materiability Research Group. (2018). Bioplastische Robotermaterialisierung. Materiability.)

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2023 beschäftigten wir, Helena Luise Kluge und Joan Leonie Prange, uns auf Anfrage des „Neues Museum Nürnberg“ mit der Erforschung und Weiterentwicklung dieses Projekts. Araneo war Teil der Ausstellung „Material+“, die sich mit Fragen der Zukunft im Design beschäftigte. (siehe: https://materiability.com/portfolio/material/ )

Für unsere Phänopraxie entschieden wir uns bewusst für dieses Objekt, da wir in der Vergangenheit viel Zeit mit dem Material verbrachten und eine persönliche Beziehung zu diesem aufbauten. Während des gesamten Prozesses versuchten wir dieses besondere Material zu verstehen. 

Aus anderen Projekten wussten wir bereits, dass Biomaterial oft einen lebendigen Anschein erwecken kann. Es verändert sich stetig und ist oft unvorhersehbar. Von einem biobasierten Material erwartet man größere Reaktion als von anderen Materialien. 

Durch die neue Sichtweise, die uns der Kurs gab, wollten wir das Material auf andere Art und Weise verstehen. Wie wirkt es auf Betrachter, die es nicht eigenhändig von Anfang an geschaffen hatten? Welche Beziehungsqualität entwickeln sie zu diesem Material und welche Beziehungsqualität entwickeln wir selbst? 

Aus diesen Gründen teilten wir unsere Phänopraxie in verschiedene Phasen ein und diskutierten sie mit dem Kurs.

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1. Phase: Rohzutaten 

Araneo wird aus fünf verschiedenen Zutaten hergestellt, die in einem bestimmten Mengenverhältnis zusammen gemischt werden: Glycerin, Ethanol und destilliertes Wasser, die alle flüssiger Natur sind, sowie Gelatine und fluoreszierendes Phosphatpulver als Feststoffe. 

Bei den langnachleuchtenden Phosphoreszenzpigmenten handelt es sich um Alkali-Mineralkristalle (sog. Seltene Erden).
Diese Pigmente können unendlich oft geladen werden und ihr Nachleuchten ist etwa um Faktor 50 höher als bei traditionellen Zinksulfid-Pigmenten, sie sind sehr lichtstabil.
Zum Aufladen genügt Tages- oder Kunstlicht, am effektivsten ist jedoch UV-Licht (Schwarzlicht). Je intensiver die Aufladung ist, umso stärker und länger leuchten die Pigmente im Dunkeln nach.

(Manecke. (o.A.). UV-Pigmente. CreArTour.)

Obwohl alle Materialien unterschiedliche Eigenschaften aufweisen, haben sie als Masse betrachtet eine gewisse Stummheit und Fügsamkeit, da sie funktional sind und leicht verarbeitet oder transformiert werden können. In dieser Phase lässt sich nicht erahnen, was aus diesen Zutaten entstehen kann. Zusätzlich weisen sie eine gewisse Fremdwirksamkeit auf, da sie durch den Schöpfer kontrolliert werden und verfügbar sind.

Die Unterschiede zwischen den Zutaten liegen in ihrer individuellen Natur. Zum Beispiel ist Glycerin widerstandsfähiger und besitzt eine gewisse Selbstwirksamkeit im Vergleich zum destillierten Wasser. Es ist „zähflüssig“ und schwer, wodurch immer ein Rest zurückbleibt, und es erfordert Geduld, da es lange dauern kann, bis es vollständig herausfließt. Das Material bleibt jedoch unverfügbar, da der Schöpfer des Materials Kontrolle darüber behält.

(Sitterwerk. (2020). Glycerin. Material Archiv.)

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2. Phase: Herstellungsprozess 

Durch die Zufuhr von Hitze verschmelzen die verschiedenen Rohzutaten zu einem flüssigen Material mit ähnlichen Eigenschaften und weisen Reaktivität auf. Es übernimmt hauptsächlich die Eigenschaften von Glycerin und zeigt eine gewisse Widerständigkeit, wenn es aus dem Topf gegossen wird, bleibt jedoch fügsam und transformierbar. Obwohl das Material eine gewisse Selbstwirksamkeit entwickelt und eine gewisse Kontrolle übernimmt, bleibt die endgültige Kontrolle während eines bestimmten Zeitrahmens beim Schöpfer. Mit der Zeit wird das Material fester und entwickelt eine Stabilität sowie eine erhöhte Selbstwirksamkeit, bleibt jedoch dennoch stumm und ein bloßes Material.

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3. Phase: Direkt nach dem Kochen

Abgefüllt in Petrischalen nimmt das Material einen festen Zustand an, kühlt ab und härtet aus. Es ist jedoch weiterhin formbar und leicht zerstörbar, wodurch es fügsam und gleichzeitig widerstandsfähig ist. Es behält seine Transformierbarkeit, zeigt aber eine gewisse Stabilität und Selbstwirksamkeit. Dennoch besteht die Möglichkeit, das Material durch äußere Einflüsse zu verändern, wobei der Zeitfaktor eine wichtige Rolle spielt.

Unter Einfluss von Licht zeigt das Material unterschiedliche Eigenschaften. Bei Tageslicht bleibt es stumm und hat lediglich eine Farbe, die jedoch keine Funktion hat. Erst bei Dunkelheit oder geringer Lichteinstrahlung wird seine leuchtende Wirkung sichtbar, da sich das Material durch das enthaltene Pigment unter Bestrahlung von UV-Licht auflädt. In der Dunkelheit nimmt es eine andere Farbe an und offenbart seine Funktion. Dadurch wird das Material durch die Dunkelheit verfügbar, wobei der Nutzer des Materials eine wichtige Rolle spielt; er kann bestimmen, ob und wie stark sich das Material auflädt. Diese Dynamik bleibt auch in den folgenden Phasen von Bedeutung.

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4. Phase: Nach sechs Monaten

Nach sechsmonatiger Trocknungszeit zeigt sich der Zeitfaktor deutlich, indem das Material sich selbstständig verformt. Es besitzt eine ausgeprägte Selbstwirksamkeit und Widerständigkeit, während es gleichzeitig an Stabilität gewinnt. Trotz dieser Stabilität bleibt das Material transformierbar und lässt sich jederzeit in eine andere Form bringen oder zerstören.

Die andauernde Veränderung des Materials lässt sich auf die Eigenschaften des beinhalteten Glycerins zurückführen. 

„Eine wichtige Eigenschaft ist seine Hygroskopizität, d. h. die Fähigkeit, Feuchtigkeit der Umgebung zu binden.“ 

(Sitterwerk. (2020). Glycerin. Material Archiv.)

Abhängig von der Luftfeuchtigkeit eines Raumes wir das Material dementsprechend härter oder weicher. Es zieht sich zusammen oder dehnt sich wieder aus, als wäre es lebendig und würde atmen.

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5. Phase: Nach fünf Jahren 

Die Veränderungen des Materials nach fünf Jahren machen eine klare Tendenz deutlich. Das Phosphatpulver sinkt mit der Zeit ab, sodass die anfangs glatte Oberfläche auf der zum Boden gewandten Seite Rauheit aufweist. Trotzdem behält es seine Leuchtkraft. Es trägt seine Geschichte nach außen und ist von Umwelteinflüssen geprägt. Die Oberfläche hat Staub und Schmutz angezogen, was zu Verformungen geführt hat. Je nach Luftfeuchtigkeit oder Jahreszeit variiert seine Beschaffenheit und Konsistenz. Dieser Prozess gilt auch für die vorherigen Phasen. Durch den Alterungsprozess und die Form, in die das Material gegossen wurde, erhält es eine Stimme. 

Auch hier zeigt Araneo Transformierbarkeit. Das Material lädt sich mit UV-Licht auf, speichert dieses und gibt es über einen Zeitraum von 12 Stunden wieder ab. 

Araneo zeigt Lebendigkeit. Es reagiert auf verschiedene Umwelteinflüsse wie Feuchtigkeit. Es scheint zu „arbeiten“. Es kann schimmeln, Falten werfen oder Wärme annehmen, bis es klebrig wird. Es scheint „giftig“ auf den Betrachter zu wirken und wirkt wie „Schleim“ oder „Flubber“, „irritierend“, da es sich fast so anfühlt wie „Haut“. Man möchte es „auf Distanz halten“, nicht zu letzt, weil es „Platz zum Atmen“ braucht. Durch den Kontakt mit Wasser lässt sich Araneo in kurzer Zeit zerstören. 

(Zitate aus dem Kurs vom 06.12.2023)

Vergleicht man diese Wirkung mit der Wirkung eines Gegenspielers, wie Kunststoff, wird man schnell feststellen, dass nicht annähernd ähnliches erzielt werden kann. Kunststoff ist „lichtundurchlässig.“ Er ist „hart, glatt und formstabil“. Er wirkt statisch. Zwar ist das Material transformierbar, doch das nur sehr schwer mit den bloßen Händen. Die „Wasserunempfindlichkeit“ macht das rein funktionale Bild komplett.

(polygood. (o.A.). Kunststoff-Platten aus recycelten Kühlschränken. Raumprobe.)

Araneo - Beziehungsqualität zusammengefasst

Folgende vier Eigenschaften beschreiben die Beziehungsqualität des Araneo:

Prozessualität:

Das Material des Araneo ist eigendynamisch und ständig veränderbar, was seine Unverfügbarkeit unterstreicht. Während des Bearbeitungsprozesses beim Kochen zeigt es eine bemerkenswerte Reaktivität. Es ist transformierbar, jedoch auch eigenwillig, und seine Interaktionen sind durch bestimmte Zeitfenster bestimmt. Das richtige Mischungsverhältnis, ähnlich einem Teig, ist von entscheidender Bedeutung.

Eigendynamik:

Das Araneo zeigt ein charakteristisches Verhalten, das seine Lebendigkeit betont und Aspekte der Stimme, Fremdwirksamkeit und Widerständigkeit umfasst. Es reagiert und führt ein eigenes Leben, indem es schrumpft, sich krümmt und nachgibt. Die Feuchtigkeit dient als Interaktionsmedium und macht es anfällig für Umwelteinflüsse. Die Widerständigkeit des Materials zeigt sich in der Fähigkeit, sich in seine ursprüngliche Form zurückzuziehen, seiner Selbstheilung und seiner Klebrigkeit.

Eignung:

Die Eignung des Araneo zeigt sich in seiner Fähigkeit, stark zu leuchten und seine Leuchtkraft nicht zu verlieren. Es findet Anwendung als Alternative zu Knicklichtern, im Innen- und Außenbereich, z. B. für Straßenbeleuchtungen, Schuhsohlen und Handyhüllen. Seine Farbe und Leuchtkraft machen es zu einem geeigneten Material für Wegweiser, Nachtlichter und Notausgänge.

Eigenzeit:

Das Araneo bewegt sich innerhalb verschiedener Zeithorizonte, was seine Widerständigkeit und Unverfügbarkeit unterstreicht. Von der Koch- über die Trocknungs- bis hin zur Ruhezeit, von der Reaktions- bis zur Lade- und Wartezeit sowie von der Leuchtzeit bis zur Lebensdauer, entwickelt es im Laufe der Zeit sein eigenes Leben. Es entwickelt Charakter und Materialgedächtnis, bleibt fügsam und widerstandsfähig, während es sich selbst heilt und Narben wieder zuwachsen lässt.

Araneo - Diskussion der Beziehungsqualität

Die erarbeitete Beziehungsqualität des Araneo bietet wertvolle Einblicke und Implikationen für verschiedene Aspekte der eigenen Arbeit und für Gestaltungsprozesse und Produkte im Allgemeinen:

Für die eigene Arbeit: 

Für Designer kann die Erkenntnis über die Prozessualität des Materials bei der Entwicklung neuer Produkte von entscheidender Bedeutung sein. Es ist wichtig, die Eigendynamik des Materials zu verstehen und zu berücksichtigen, um eine effektive Gestaltung und Nutzung zu ermöglichen. Kenntnisse wie zum Beispiel die Eigenzeit des Materials können dazu beitragen, realistische Zeitrahmen für die Entwicklung und Produktion festzulegen.

Für Gestaltungsprozesse: 

Die diskutierte Beziehungsqualität des Araneo legt nahe, dass Gestaltungsprozesse flexibel und anpassungsfähig sein müssen, um die Eigenheiten des Materials optimal zu nutzen. Dies erfordert möglicherweise iterative Ansätze, um das Material bestmöglich zu verstehen und seine Potenziale auszuschöpfen. Der Fokus sollte darauf liegen, wie das Material in verschiedenen Phasen seiner Entwicklung am besten genutzt werden kann.

Die Verwendung des Araneo für Produkte: 

Bei der Gestaltung von Produkten sollten die einzigartigen Eigenschaften des Araneo berücksichtigt werden, insbesondere seine Eignung für Beleuchtungsanwendungen, seine Flexibilität und seine Fähigkeit zur Selbstheilung. Produkte, die aus diesem Material hergestellt werden, könnten daher robust, langlebig und anpassungsfähig sein. Die Berücksichtigung der Beziehungsqualität des Materials kann dazu beitragen, innovative und funktionsfähige Produkte zu entwickeln, die den Bedürfnissen der Benutzer gerecht werden.

Insgesamt zeigt die Diskussion der Beziehungsqualität des Araneo die Bedeutung eines ganzheitlichen Verständnisses des Materials für die eigene Arbeit, die Gestaltungsprozesse und die Entwicklung von Produkten. Es bietet eine Grundlage, um das Potenzial des Materials voll auszuschöpfen und innovative Lösungen zu schaffen, die den Anforderungen und Erwartungen der Benutzer gerecht werden.

Dieser Kurs hat uns einen neuen Blickwinkel auf die Kommunikation und die Beziehung zwischen Subjekt und Objekt geben. Er hat gezeigt, wie man Objekte verstehen kann und dass sie mehr sein können als bloße Objekte.

Quellenverzeichnis

Fachgruppe

Integriertes Design

Art des Projekts

Studienarbeit im zweiten Studienabschnitt

Betreuung

foto: Dr. Martin Repohl

Zugehöriger Workspace

WM Materielle Beziehungsqualität entdecken

Entstehungszeitraum

Wintersemester 2023 / 2024

Keywords