In seiner Funktionalität auf die Lehre in gestalterischen Studiengängen zugeschnitten... Schnittstelle für die moderne Lehre
In seiner Funktionalität auf die Lehre in gestalterischen Studiengängen zugeschnitten... Schnittstelle für die moderne Lehre
Wir alle kennen und praktizieren es: Eskapismus - oder einfacher gesagt: Wir entfliehen dem Jetzt.
Dieses Projekt verwandelt den abstrakten Gedanken in ein greifbares Bild: die Tiefsee. Dort lebt ein oktopusähnliches Wesen namens Edgar Eskapus, der uns Menschen bei unseren Tauchgängen, weg von der Realität begleitet. Hier bietet sich ihm erstmals eine Plattform um Geschichten aus den Untiefen seines Meeres mit uns Menschen zu teilen.
Im Rahmen des Studio Mottos »Jetzt«, haben wir uns dazu entschieden gegen den Strom zu schwimmen — in das Anti-Jetzt, den Eskapismus. Zusammen mit dem sympathischen, aber auch geheimnisvollen Oktopus Edgar Eskapus kann der Besucher in unserem Teil der Ausstellung Edgars Agentur besuchen, die alle Eskapismus-Fälle verwaltet. Der Besucher erfährt persönliche Geschichten und kann auch selbst in der Tiefsee des Eskapismus abtauchen.
Unser Ausstellungsbereich stellt ein Büro dar. Für Edgar Eskapus bietet sich hier eine Plattform, um sich den Menschen einmal zu offenbaren. Doch natürlich kann er persönlich nicht vor Ort sein, da er sein Meer nicht verlassen kann und immer vollauf beschäftigt ist. Deshalb kümmern sich seine »Sekretärinnen« um alles. Dementsprechend sind die Ausstellungsobjekte auch so platziert wie eine Bürofläche, in der fleißig gearbeitet wird.
Die Agentur ist in drei Bereiche unterteilt. Die Bereiche sind inhaltlich und gestalterisch miteinander verbunden.
Während der Ausstellung ist eine Performance geplant, bei der eine der Sekretärinnen ihren normalen Alltagsablauf präsentiert. Zunächst richtet sie sich ein. Danach stellt sie per Headset Kontakt zu Edgar her, ehe sie die diktierten Zeilen nieder schreibt und zum Trocknen aufhängt. Somit wird nach der Performance der Text noch lesbar sein.
Durch den Text spricht Edgar die Besucher direkt an. Er erklärt noch einmal was Eskapismus ist und welche Rolle er spielt. Außerdem stellt er kritische Rückfragen, die dann groß auf einzelne Zettel geschrieben werden, damit sie hervorstechen und zum Reflektieren anregen sollen.
Der Text wird durch das Handgeschriebene persönlicher und durch die Wartezeiten, die entstehen, während der Text geschrieben wird, wird zusätzlich das Zeitverschwenderische verdeutlicht, das den Eskapismus nunmal ausmacht.
Auch der ausschweifende Erzählstil von Edgar zieht die Informationen, die im Text stecken zusätzlich in die Länge.
Wer alles lesen will braucht also eine Menge Durchhaltevermögen, selbst, wenn die Performance schon vorbei ist und die Zettel mit dem Text schon hängen.
Damit die Besucher auch nach der Performance verstehen, um was es sich bei den handgeschriebenen »Briefen« handelt, wird eine Handlungsanweisung von Edgar in Form eines Faxes oder einer Email/Notiz (in Schreibtischnähe) dargestellt.
In der Fundgrube stellt Edgar 5 Gegenstände aus, die er in seinem Meer gefunden hat.
Diese 5 Gegenstände wurden in unterschiedlicher Tiefe gefunden und erzählen die Geschichten von 5 Charakteren, die aus unterschiedlichsten Gründen diese Fluchtmöglichkeiten genutzt haben, um ihrer Realität zu entfliehen.
Von folgende Personen werden die Gegenstände ausgestellt:
Er liebte das Schlafen, liebte es in seine Traumwelt einzutauchen, die so viel fantasievoller und bunter und entspannter war, als sein Leben auf der [Jetzt-Insel]. Seine Tage waren immer gefüllt mit Arbeit, denn Sepp hatte einen sehr fordernden Job, verdiente dafür aber auch gutes Geld. Dennoch freute er sich den ganzen Tag darauf, dass er sich am Abend wieder in sein Bett einkuscheln, seinen Kopf auf sein Lieblingskissen betten und friedlich in seine Traumwelt zurückkehren würde.
Geschichten hatten Lou schon als kleines Kind fasziniert. Die Helden schienen ein so viel spannenderes und weitaus aufregenderes Leben zu haben, als sie selbst es auf der [Jetzt-Insel] lebte. Und als sie irgendwann zu alt geworden war um noch Gute-Nacht-Geschichten vorgelesenen zu bekommen, hatte sie einfach selbst zum Buch gegriffen. Und von da an fand man sie meist mit einem Buch vor der Nase. Lou las wirklich viel. In jeder freien Minute. Die Geschichten ihrer Romanfiguren begleiteten sie stundenlang und folgten ihr teilweise in Gedanken sogar in ihren Alltag. Ihr eigenes Leben kam ihr im Gegensatz dazu so trist vor.
Hectors Handy war sein bester Freund. Und sein größter Feind, war die Langeweile. Ungelogen: er hatte das Telefon immer griffbereit, benutze es aber in den seltensten Fällen zum telefonieren. Denn Hector swipte sich durch sein Leben. Wie sieht es mit deiner Screentime aus? Egal wie hoch sie ist – Hectors war höher. Selbst wenn er in einer Gruppe von Leuten saß, sah er andauernd ob eine neue Mitteilung eingegangen, einer seiner vielen Beiträge geliked oder sonst etwas neues passiert war. Sobald er merkte, wie sich die Langeweile in ihm zu regen begann, war der Griff zum Handy quasi vorprogrammiert. Lieber daddeln… bloß nicht diese Langeweile zulassen. Immer musste etwas passieren und was wenn er etwas verpasste? Außerdem wusste er doch gar nicht, wie er mit den Gedanken zurechtkommen sollte, die dann plötzlich in seinem Kopf herumzuspuken begannen.
Albert hatte einen Fehler gemacht. Und dieser Fehler hatte die Konsequenz gehabt, dass er sich nun unendlich schämte. Ach der Albert. Er schämte sich so sehr, dass es ihm unmöglich war, sein Insel-Leben, so wie es bisher gewesen war, weiterzuleben. Und da hatte er das erste Mal zur Flasche gegriffen und sich in die Fluten meines Meeres gestürzt. Kopf voran, denn das alles ließ sich für ihn nur dadurch irgendwie halbwegs ertragen. Und eine Weile klappte das ganz gut. Er trank einfach alles weg: das Selbstmitleid und die Angst und die Probleme, die sich nun zu häufen begannen (sei es nun das Geld, das knapp wurde oder die Freunde, die sich immer weiter zurückzogen). Aber irgendwann wachte Albert auf, inmitten all der Flaschen, die er am Abend zuvor ganz allein geleert hatte und da war sie auf einmal zurück, die Scham. Nur dass er sich jetzt dafür schämte, was aus ihm geworden war.
Joyce geriet auf die schiefe Bahn. Das geht manchmal schneller als man Tentakel-Twister sagen kann… und bei Joyce war das nunmal so passiert. Sie hatte ihr Insel-Leben nie sonderlich gemocht und sich selbst eigentlich auch nicht. Und als ihr dann auf einer Party zum ersten Mal ein Joint angeboten worden war, da hatte sie sich für eine kurze Zeit seit langem mal wieder gut gefühlt. Das war ihr erster Tauchgang in mein Reich gewesen und dann gleich ziemlich tief und weil sie sich dabei so gut gefühlt hatte, jagte sie danach nur noch diesem Gefühl hinterher. Diesem wohlig-wattigen, gedämpften Zustand. Sie versuchte wirklich alles. Sie schluckte, träufelte, spritzte, trank, schniefte einfach alles was sie in die Finger bekam. Dabei tauchte sie immer tiefer und tiefer hinab. Und irgendwann lebte sie einfach nur noch dafür.
Oftmals gibt es in Büros extra auf die Firma zugeschnittene Bildschirmschoner – so auch bei Edgar.
Der Bildschirmschoner gibt noch einmal einen Einblick in Edgars Welt. Es zeigt die »Jetzt-Insel« und das Meer — quasi Edgar in Aktion.
So wird die Metapher verbildlicht und die Verbindung zur Tiefsee wird hergestellt.
Der Bildschirmschoner hat jedoch einen Twist:
Das Video läuft als Loop. Denn zu Edgars Lebenswelt gehört die Zeitverschwendung untrennbar dazu. Beim Betrachten des Videos sollen die Besucher also auch länger als eigentlich notwendig festgehalten werden.
Somit wird direkter Eskapismus künstlich erzeugt.
Die Besucher können sich vor den Bildschirm setzen und werden selbst zum Teil der Ausstellung.
Inhaltlich ist das Video so aufgebaut, dass der Betrachter immer tiefer schwimmt. Mit dem Höhenunterschied ändern sich die Fischarten und die Gegenstände steigern sich in der Intensität des Eskapismus.
Und jetzt zum Schluss noch ein paar Worte vom Chef Edgar höchstpersönlich an dich:
Was ich auf jeden Fall sagen kann (und ich sage es nicht ohne Stolz!): Manchmal brauchst du das einfach… diesen Edgar in deinem Leben, mit dem du Hand in Tentakel gehen kannst. Luft anhalten. Einfach mal treiben lassen. Probleme, Sorgen, Ängste, To-Dos, Stress, den Alltag – einfach alles mal ausblenden. Kurz abtauchen.
Du weißt jetzt, dass es mich gibt. Du kennst verschiedene Beweggründe, um mich in meinem Meer besuchen zu kommen. Und du bist immer gerne gesehen! Nein wirklich, ich bin auch ein toller Gastgeber. Vielleicht sogar der beste. Und ich habe auch gerne Besuch.
Aber es ist deine Entscheidung, wie tief ich mit dir abtauchen, wie weit ich dich mitnehmen und wie viel Zeit ich mit dir verbringen darf.
Es ist deine Entscheidung, wann ich dich loslassen muss.
Zum Schluss bleibt mir jetzt also nur noch eine Frage, und die kannst nur du selbst beantworten:
Wie lang darf ich dich festhalten?
Dein Edgar
Hier kannst du dich noch ein paar Eindrücke von unserer finalen Ausstellung bekommen. Klick dich einfach durch : )